Rn 34
Als "unredlich" ist ein Schuldner auch anzusehen, wenn er in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unzutreffende (fehlerhafte, unrichtige) oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit oder Sozialleistungen oder sonstige Subventionen aus öffentlichen Mitteln zu erhalten oder um Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, insbesondere um Steuern zu verkürzen. Hier handelt es sich zumeist um Kreditanträge, Sozialhilfeanträge oder Steuererklärungen. Beim Tatbestand der Steuerhinterziehung seien durch die Rechtsprechung so hohe Hürden für eine Versagung errichtet worden, dass schon mit der Einführung 1994 die Durchführung ins Leere laufe. Kein Fall des § 290 Abs. 1 Nr. 2 liegt vor, wenn der Schuldner einen Kredit behalten will. Unrichtige und unvollständige Angaben liegen auch nicht vor, wenn der Schuldner eine Mitteilung (hier: an ein Jobcenter) unterlässt.
Rn 35
Die im Gesetz festgelegte Dreijahresfrist ist wörtlich zu beachten. Eine Verlängerung auf davor liegende Tatbestände ist nicht gestattet, denn gerade Feststellungen, ob Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Zeit der Angaben vorlag, würden sich für das Gericht wesentlich schwieriger gestalten. Es besteht auch keine Verpflichtung zur nachträglichen Berichtigung innerhalb der Frist, selbst wenn anderweitig eine gesetzliche Verpflichtung besteht (z. B. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) und die Unterlassung den Straftatbestand eines Betruges erfüllen kann.
Allerdings ist 290 Abs. 1 Nr. 2 so zu verstehen, dass Falschangaben des Schuldners, auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bis zum Schlusstermin erheblich sind. Aus dem Wortlaut der Bestimmung werden sowohl Angaben bis zur Verfahrenseröffnung als auch solche bis zur Einstellung des Verfahrens oder sogar darüber hinaus während des Laufs der Wohlverhaltensphase und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Versagungsgrund geltend gemacht werden kann, nämlich dem Schlusstermin oder Ablauf der im schriftlichen Verfahren gesetzten Frist erfasst.
Rn 36
Die Angaben müssen vom Schuldner schriftlich gemacht worden sein. Mündliche Erklärungen, auch gegenüber Vertretern des Kreditgebers, wie z. B. gegenüber einem Verkäufer eines Händlers, der eine Finanzierung vorbereitet, sind unschädlich. In einem solchen Fall zählt allein der Inhalt der Selbstauskunft oder des Kreditantrags oder -vertrags. Durch die Schriftlichkeit der Angaben wollte der Gesetzgeber unter Vermeidung schwierigerer Beweiserhebungen die notwendigen Feststellungen zum Versagungsgrund erleichtern und verkürzen.
Rn 37
Die Angaben des Schuldners müssen vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch sein. Nach st. Rspr. des BGH liegt grobe Fahrlässigkeit bei einem Handeln i. S. d. § 290 vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, ganz nahe liegende Umstände nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung.
Rn 38
Die Angaben des Schuldners müssen als ein finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung subjektiv dem Zweck dienen, Leistungen zu erhalten oder zu vermeiden ("zweigliedriger subjektiver Tatbestand"). Besteht zwischen den unrichtigen Angaben und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang, ist es ohne Bedeutung, ob der Schuldner sein Ziel tatsächlich erreicht. Befand sich der Schuldner zum Zeitpunkt der Angaben im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 827 BGB), entfällt ein subjektiver Verstoß. Der Schuldner ist hierzu beweispflichtig.
Rn 39
Zu den Fällen der Vermeidung gehört auch die Nichtzahlung von Abgaben und damit auch die Verwirklichung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung (§ 370 AO), der nicht durch die Aufzählung von Straftaten in § 290 Abs. 1 Nr. 1 ausgeschlossen wird.
Rn 40
Ob und dass die falschen Angaben des Schuldners die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigen. Auch § 290 Abs. 1 Nr. 2 lässt keine zeitliche Beschränkung erkennen, sodass sowohl Angaben bis zur Verfahrenseröffnung als auch solche bis zur Einstellung des Verfahrens oder sogar darüber hinaus während des Laufs der Wohlverhaltensphase erfasst werden.
Rn 41
Das Gericht muss sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Die Angaben des Schuldners müssen nicht von diesem selbst formuliert worden und nicht gesondert unterzeichnet worden sein. Ausreichend ist beispielsweise, wenn der Schuldner die Erklärungen von einem Vollziehungsbeamten der Finanzbehörde zu Protokoll aufnehmen lässt, die dann mit seinem Wissen an die Behörde weitergeleitet werden. Es ist auch nicht notwendig, dass der Schuldner das Aufgenommene nochmals durchliest.
Rn 42
Hat eine öffentliche Urkunde Erk...