2.1 Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit (Nr. 1)
2.1.1 Allgemeines
Rn 9
Vor allem für die Gläubiger ist die wichtigste Obliegenheit des Schuldners die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Schuldners objektiv und subjektiv angemessen und auch zumutbar sein muss.
Rn 10
Der Gesetzgeber hat strenge Maßstäbe an das Verhalten des Schuldners im Rahmen dieser Obliegenheit angelegt. Im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung ist bereits ein ganzer Katalog der Vorstellungen enthalten, die der Gesetzgeber vom Schuldner im Rahmen der Obliegenheit verwirklicht haben will.
Rn 11
Im Falle der Erwerbslosigkeit ist der Schuldner unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger grundsätzlich gehalten, jede Erwerbschance wahrzunehmen und aktiv alle nur denkbaren und ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, eine neue Beschäftigung zu erhalten. Er muss sich im Regelfall bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitsuchend melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Zum selbstständigen aktiven und ernsthaften Bemühen um eine Arbeitsstelle gehören die stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und entsprechende Bewerbungen. Mindestens zwei bis drei Bewerbungen in der Woche sollen bei entsprechenden Stellenangeboten die Regel sein. Die Obliegenheit nach 295 Abs. 1 Nr. 1 begründet zwar keine Arbeitspflicht, die Ablehnung und Nichtausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit kann aber gemäß § 296 zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen.
Rn 12
Aktivität bedeutet, dass er nicht nur Stellenanzeigen liest und sich bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchend meldet, sondern sich daneben auch selbst und umfassend der Arbeitsuche widmet, sich auf Stellenangebote laufend meldet und auch fehlgeschlagene Versuche dokumentiert. Ein nachlässig durchgeführtes mehrjähriges und abgebrochenes Promotionsstudium mit eingeschränkter Erwerbstätigkeit (Nebentätigkeit) stellt mangels Aktivität einen Verstoß dar. Die pauschale Behauptung von Bewerbungen ohne jeglichen Beleg ist nicht ausreichend. Je genauer die Anfrage des Insolvenzgerichts diesbezüglich ist, umso genauer muss der Schuldner sie beantworten.
2.1.2 Zumutbarkeit
Rn 13
Die aufzunehmende Tätigkeit muss zumutbar sein. Eine klarere Definition des Kriteriums der Zumutbarkeit ist durch Rückgriff auf die Bestimmung des § 140 SGB III möglich. Die dort getroffenen Regelungen für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung können als Mindestmaßstab für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung im Rahmen eines Restschuldbefreiungsverfahrens übernommen werden.
Rn 14
Der Schuldner muss auch eine berufsfremde und eine auswärtige Tätigkeit mit weiterer Anfahrt zur Arbeitsstelle oder Wechsel des Wohnorts annehmen; ebenso eine Gelegenheits- oder Aushilfsarbeit, selbst wenn diese schlechter bezahlt wird als seine erlernte Arbeit. Die Annahme einer geringer bezahlten Beschäftigung ist deshalb zumutbar, weil dem Schuldner während des Laufs der Wohlverhaltensperiode ohnehin nur der unpfändbare Teil seines Arbeitseinkommens oder der anderweitig gewährten laufenden Bezüge verbleibt. Dasselbe gilt auch für die Annahme einer Teilzeit- statt einer Vollzeitbeschäftigung, wenn ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht. Der Schuldner darf von sich aus jedoch nicht grundlos von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln oder gar die dann zur Verfügung stehende Zeit für eine verheimlichte umfangreichere Tätigkeit ("verschleiertes Arbeitseinkommen") nutzen.
Rn 15
Allerdings ist auf familiäre Verhältnisse, z. B. bei Alleinerziehern, Schuldnern mit Kleinkindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, Rücksicht zu nehmen. Hat der Schuldner minderjährige Kinder in seinem Haushalt zu betreuen, richtet sich der Umfang der Erwerbsobliegenheit nach den Maßstäben, die in der familienrechtlichen Rechtsprechung zu § 1570 BGB entwickelt wurden. Grundsätzlich besteht danach und auch nach § 1615l BGB bei der Betreuung eines Kindes bis zum dritten Lebensjahr keine Erwerbsobliegenheit. Im Einzelfall ist eine Billigkeitsabwägung durchzuführen., Es kommt auch die Verpflichtung zu einer Teilzeitbeschäftigung in Betracht.
Rn 16
Auch die bewusste Inkaufnahme einer beschäftigungslosen Zeit durch den Schuldner muss nicht zwingend als Obliegenheitsverstoß zu werten sein. Unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens sind zeitweilige Fort- und Weiterbildungsbemühungen des Schuldners zu akzeptieren, sofern sich dadurch die Chancen für ihn erhöhen, eine qualifizierte Tätigkeit mit der Folge der Erzielung entsprechender Einkünfte zu erlangen.
Rn 17
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