Rn 4
Selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ist jede auf eine Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit. Die Hauptniederlassung und damit der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit befindet sich dort, von wo aus die Geschäfte geleitet werden. Zur Bestimmung des Mittelpunkts der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit sind durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse des Schuldners Indizien zu gewinnen, die auf die tatsächliche Willensbildung des Schuldners, deren Dokumentation und Umsetzung schließen lassen, wobei die gefundenen Ergebnisse wertend zu betrachten sind. Dabei ist mit der überwiegenden Auffassung auf denjenigen Ort abzustellen, an dem die tatsächliche Willensbildung stattfindet, die Entscheidungen der Unternehmensleitung getroffen, dokumentiert und umgesetzt werden, wofür eine gewisse organisatorische Verfestigung zu verlangen ist. Diese selbstständige Tätigkeit muss bereits aufgenommen, aber darf noch nicht beendet worden sein. Die selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit kann auch in einer Nebentätigkeit gesehen werden, wenn diese mehr als nebensächliche Bedeutung im gesamten Erwerbsleben des Schuldners hat.
Die Tätigkeit endet mit der Einstellung der werbenden, nach außen gerichteten Tätigkeit des Schuldners, wofür aber greifbare, konkretisierende Anhaltspunkte vorliegen müssen. Bei dieser Bewertung können Beachtung finden etwa die Aufgabe eines Geschäftslokals, Abmietung von Räumlichkeiten, Beendigung von Arbeitsverhältnissen, die behördliche Abmeldung des Gewerbes oder die Auflösung bestehender Geschäftskonten. Abwicklungsmaßnahmen des Schuldners fallen nicht unter eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit, da diese gerade keine wirtschaftlichen Tätigkeiten darstellen. Die gerichtliche Zuständigkeit des für den Wohnsitz des Geschäftsführers ausschlaggebenden Gerichts wird nicht allein dadurch begründet, dass der Geschäftsführer nach Einstellung des eigentlichen Geschäftsbetriebs und Aufgabe der Geschäftsräumlichkeiten Geschäftsunterlagen an seinen privaten Wohnsitz mitgenommen hat und dort verwahrt.
Rn 5
Für das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person ist davon auszugehen, dass der satzungsmäßige Sitz und der Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich übereinstimmen, sofern nicht etwas Anderes dargelegt wird. Sind sämtliche Aktivitäten bereits eingestellt und die Räumlichkeiten aufgegeben worden, so ist der Sitz entsprechend der Satzung ausschlaggebend und nicht der Ort an dem die existenten Geschäftsunterlagen aufbewahrt werden.
Vermehrt kommt es dazu, dass vor Stellung des Insolvenzantrages der Sitz geändert wird, um die Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes am neuen Sitz zu begründen. Nach Ansicht des BGH setzt die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am neuen Sitz eine werbende Tätigkeit des Schuldners nicht voraus. Ist zwischen der eingetretenen Sitzverlegung und der Stellung des Insolvenzantrages die 3-Wochen-Frist nach § 64 Abs. 1 GmbHG abgelaufen, so negiert der BGH eine Zuständigkeitserschleichung.
Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft einen ordnungsgemäßen satzungsändernden Beschluss in Bezug auf eine Sitzverlegung gefasst hat. Danach ist die ordnungsgemäße Eintragung zu prüfen.
Rn 6
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich in keinem Fall nach dem allgemeinen Gerichtsstand des organschaftlichen Vertreters einer juristischen Person.
Im Falle einer sog. Konzerninsolvenz ist der Mittelpunkt jedes betroffenen, selbstständigen Unternehmens ausschlaggebend und für sich gesondert zu ermitteln. Dabei sind gleichwohl die Besonderheiten des §§ 3a ff. zu beachten, wonach es eine Gerichtskonzentration am sog. Gruppen-Gerichtsstand bei gruppenangehörigen Schuldnern geben kann.
Rn 7
Ebenso wie die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Insolvenzgericht ist die örtliche Zuständigkeit ausschließlich, sie kann somit nicht durch Vereinbarung der Beteiligten modifiziert werden.
Rn 8
Sind gleichzeitig mehrere Gerichte als Insolvenzgericht örtlich zuständig, so wird die ausschließliche Zuständigkeit desjenigen Insolvenzgerichts begründet, bei welchem zuerst ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig geworden ist. Eine solche Konstellation ist dann denkbar, wenn ein Schuldner keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, aber mehrere Wohnsitze hat. Hier greift das Prioritätsprinzip ein.