Rn 50
Die Gleichstellung des ehemaligen Unternehmers mit dem Verbraucher scheidet aus, wenn seine Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung nicht überschaubar sind (§ 304 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante). Die Auswertung der seit 1999 gemachten Erfahrungen hatte gezeigt, dass insbesondere eine hohe Zahl von Gläubigern einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung entgegenstand. Es wurde von einer Gläubigerzahl von mehreren Hundert in einem Verfahren berichtet. Gläubigerzahlen im Bereich bis 100 waren keine Seltenheit. In solchen Fällen war schon im Hinblick auf die Probleme bei der Zustellung des Schuldenbereinigungsplans eine zeitnahe Einigung aussichtslos. Die Insolvenzgerichte waren schon mit der rein logistischen und organisatorischen Durchführung solcher Verfahren überfordert, zumal die an die Gläubiger zuzustellenden Kopien fünfstellige Zahlen erreichten und nicht aufbringbare Auslagen beim Schuldner verursachten. Deshalb sollte die Zahl der Gläubiger als zentrales Abgrenzungskriterium eingeführt werden. Eine empirische Grundlage hat die Abgrenzung bei 20 Gläubigern nicht.
Rn 51
Nach § 304 Abs. 2 fehlt es an einer Überschaubarkeit, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung mehr als 19 Gläubiger hat. Die Zahl der Gläubiger soll nicht nur entscheidend für das Gelingen einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Schuldenbereinigung sein, sondern auch ein für die Praxis leicht handhabbares Kriterium darstellen und so die Zuordnung des betroffenen Schuldners zum Verbraucher- oder zum Regelinsolvenzverfahren relativ einfach ermöglichen. Entscheidungsgrundlage des Gerichts ist grundsätzlich die Angabe der Gläubigerzahl im Forderungsverzeichnis (Anlage 6 der amtlichen Formulare zum Eigenantrag Verbraucherinsolvenz), da eine Nichtaufnahme von Gläubigern strafbar sein kann und insolvenzrechtlich zu schwerwiegenden Nachteilen für den Schuldner führt (z. B. §§ 308 Abs. 3, 290 Abs. 1 Nr. 6).
Rn 52
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist zunächst allein auf die Kopfzahl der Gläubiger, ungeachtet der jeweiligen Zahl der bestehenden Forderungen abzustellen. In der Literatur wurde insoweit kritisch angemerkt und befürchtet, hinter einer Anzahl von nominal bis zu 19 Gläubigern könnten sich tatsächlich mehr als 20 Forderungen verbergen, sodass es einfacher und klarer gewesen wäre, auf eine Zahl von 20 Forderungen unterschiedlicher Gläubiger abzustellen. Zudem eröffne die Regelung des Abs. 2 dem Schuldner durch die Begründung neuer Forderungen bei neuen Gläubigern oder die Ablösung bestehender Forderungen in Grenzbereichen eine willkürliche Beeinflussung der anzuwendenden Verfahrensart, die im Übrigen auch den Gläubigern selbst ohne Zutun des Schuldners im Wege der Forderungsabtretung möglich wäre.
Rn 53
Da § 304 Abs. 2 die Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens allein ("… nur …") davon abhängig macht, dass der Schuldner weniger als 20 Gläubiger hat, ist nicht zu untersuchen, ob der jeweilige Forderungsgrund der ehemaligen unternehmerischen, u. U. noch nicht abgewickelten Tätigkeit zuzuordnen ist, eine Forderung tatsächlich existiert oder die Höhe zutrifft. Für die Zuordnung des Schuldners zum Verbraucherinsolvenzverfahren ist es deshalb unerheblich, ob Verbindlichkeiten nur noch mittelbar aus der ehemaligen unternehmerischen Tätigkeit resultieren, so z. B. aus einer bereits durchgeführten Umschuldungsmaßnahme.
Rn 54
§ 304 Abs. 2 enthält eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, wonach eine Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse schon dann fehlt, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung mehr als 19 Gläubiger hat. Hat der Schuldner mehr als 19 Gläubiger, kommt keine teleologische Reduktion in Betracht, sodass für eine Anwendung des Verbraucherinsolvenzverfahrens auch dann kein Raum besteht, wenn eine verbrauchertypische Verschuldungsstruktur vorliegt oder die selbstständige Tätigkeit schon lange zurückliegt. Eine Zielverfehlung des Gesetzgebers kann nicht angenommen werden, da dieser sich aus Gründen der Praktikabilität bewusst für eine klare Abgrenzung entschieden hat. Umgekehrt folgt aus Abs. 2 aber nicht zwingend, dass überschaubare Vermögensverhältnisse bei bis zu 19 Gläubigern immer vorliegen müssen. § 304 Abs. 2 regelt nur einen speziellen Fall der fehlenden Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners im Sinne des § 304 Abs. 1 Satz 2.
Rn 55
Auch bei einer Unterschreitung der in Abs. 2 festgelegten maximalen Gläubigerzahl kann der ehemals selbstständig wirtschaftlich tätige Schuldner auf das Regelinsolvenzverfahren zu verweisen sein, wenn seine Vermögensverhältnisse ungeachtet der Gläubigerzahl nicht überschaubar sind. Dies lässt sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers etwa dann annehmen, wenn zahlreiche streitige Forderungen in nicht unbeträchtlicher Höhe involviert sind oder komplexe Anfechtungssachverhalte auftreten können. Im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einze...