Gesetzestext
Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist.
Bisherige gesetzliche Regelungen: Art. 102 EGInsO
1. Zulässigkeit der Aufrechnung
Rn 1
§ 338 bestimmt als Sachnorm das Recht zur Aufrechnung in der Insolvenz. Sie dient dem Ziel, den Sicherungscharakter der Aufrechnung zu wahren. Hintergrund der Regelung ist, dass es Staaten gibt, die eine Aufrechnung nach Insolvenzeröffnung untersagen (z.B. China, Griechenland).
Rn 2
Im Anwendungsbereich des Art. 102 EGInsO a.F. wurde die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung nach der lex fori concursus bestimmt. Die materielleWirksamkeit richtete sich hingegen nach dem Schuldstatut der Hauptforderung. Das widersprach der Regelung der EuInsVO.
Rn 3
§ 338 ist eng an Art. 6 EuInsVO angelehnt. Mit § 338 sollen überdies Art. 23 der Richtlinie über die Sanierung und Liquidation der Kreditinstitute (RiLi 2001/24 EG) v. 4.4.2001 und Art. 22 der Richtlinie über die Sanierung und Liquidation der Versicherungsunternehmen (RiLi 2001/17 EG) v. 19.3.2001 umgesetzt werden.
Rn 4
Nach §§ 335, 338 bestimmen sich die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit einer Aufrechnung nach der lex fori concursus (vgl. insofern ausdrücklich Art. 4 Abs. 2 lit. d EuInsVO).
Rn 5
§ 338 kommt nur zur Anwendung, wenn Aufrechnungs- und Insolvenzstatut auseinander fallen. Sollte die Aufrechnung nach der lex fori concursus zulässig sein, greift § 338 nicht. Ist nach dem Recht des Eröffnungsstaates hingegen eine Aufrechnung nicht gestattet, ist ein Gläubiger gemäß § 338 dennoch zur Aufrechnung berechtigt, wenn diese nach dem für die Forderung des Schuldners maßgeblichen Recht möglich ist. Damit setzt sich im Ergebnis das aufrechnungsfreundlichere Recht durch.
Rn 6
Sofern die lex fori concursus eine Aufrechnung beschränkt, muss mithin geprüft werden, ob die Forderung des Schuldners einer anderen Rechtsordnung als der lex fori concursus unterliegt. Sollte dies der Fall sein, ist in der Folge zu prüfen, ob nach dem Insolvenzrecht dieser Rechtsordnung eine Aufrechnung zulässig wäre.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann trotz entgegenstehender lex fori concursus aufgerechnet werden.
2. Bestehen der Aufrechnungslage
Rn 7
Die Frage, ob eine Aufrechnungslage besteht, richtet sich nicht nach § 338 und den Regeln des internationalen Insolvenzrechts, sondern nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Regeln, die auch außerhalb der Insolvenz gelten, also gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt. EGBGB nach dem Recht, das für die Forderung maßgeblich ist, gegen die aufgerechnet wird – Recht der Hauptforderung.
Rn 8
Die Aufrechnungslage muss bereits vor der Verfahrenseröffnung bestanden haben. Der Zeitpunkt des Entstehens der Forderung wird wiederum durch die allgemeinen kollisionsrechtlichen Normen entschieden.
Rn 9
Die Aufrechenbarkeit von Forderungen, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, richtet sich ausschließlich nach der lex fori concursus.