Rn 13
Der Begriff Unternehmen ist in Bezug auf die Insolvenzmasse lediglich als Oberbegriff aller zum Betrieb gehörigen Vermögensgegenstände zu verstehen. Es handelt sich um eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, die nur einzeln nach den zivilrechtlichen Regeln im Wege einzelner Rechtsgeschäfte einer Verwertung zugeführt werden können. Das "Unternehmen" als solches ist damit gerade nicht Teil der Insolvenzmasse, auch wenn einzelne Vorschriften (z. B. §§ 128, 157, 160 Abs. 2 Nr. 1) darauf hindeuten könnten.
Rn 14
Hiervon streng zu unterscheiden ist der Goodwill (oder auch Mehrwert) eines Unternehmens, der sich u. a. daraus ergeben kann, dass die betrieblichen Vermögenswerte durch ihr funktionelles Zusammenwirken einen über der Summe der Einzelwerte liegenden Gesamtwert erreichen. Dieser ist vom Verwalter als Teil der Insolvenzmasse zu realisieren.
Rn 15
Schwierigkeiten bereiten vor allem bei Fortführungen gewerberechtliche Erlaubnistatbestände, die entweder personenbezogen erteilt oder als Sachgenehmigungen ausgestaltet sind. Eine an den Schuldner geknüpfte personenbezogene Erlaubnis besteht trotz Insolvenzantragstellung und Verfahrenseröffnung grundsätzlich fort (z. B. §§ 30 ff. GewO oder § 2 GastG), auch wenn sie – anders als die Sachgenehmigung – nicht verwertbar ist.
Der Entzug der Gewerbeerlaubnis ist in den Grenzen des § 12 GewO jedenfalls ab Verfahrenseröffnung ausgeschlossen, soweit die Unzuverlässigkeit auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Betreffend die darüber hinausgehenden Versagungstatbestände ist streitig, ob weiterhin auf den Schuldner oder ab Verfahrenseröffnung auf die Person des Verwalters abzustellen ist. In der Praxis wird sich der Verwalter in den Fällen, in denen er bzw. der Schuldner die persönlichen Eignungsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllen sollte, auf die Fortführung als Stellvertreter i. S. d. § 45 GewO unter gleichzeitiger Stellung eines geeigneten Betriebsleiters entscheiden.
Rn 16
Keine anderen Grundsätze gelten für die freiberufliche Praxis des Schuldners (z. B. Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekt). Nach herrschender Auffassung ist diese trotz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant/Patient und Schuldner – im Wege einer Vielzahl von Einzelrechtsgeschäften – durch den Verwalter verwertbar.
Auch wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme eines Namens in die Firma der Praxis besteht (z. B. § 59 k Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 52 k Abs. 1 Satz 1 PatAnwO), bedarf es zur Verwertung der Zustimmung des Namensträgers entgegen der in der Vorauflage vertretenen Ansicht gerade nicht. Das von der Gegenansicht genannte Persönlichkeitsrecht des Schuldners tritt hinter die Gläubigerinteressen zurück. Die persönliche Vertrauensbeziehung zwischen Schuldner und Mandant/Patient wird dadurch gewahrt, dass in jedem Fall die Zustimmung der Patienten bzw. Mandanten erforderlich ist.
Obwohl der Vertragsarztsitz des Schuldners als solcher nicht dem Insolvenzbeschlag unterfällt, handelt es sich bei dem Erlös aus dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen an einer Gemeinschaftspraxis um Massegegenstände, auch wenn sich die Veräußerung der Gesellschaftsanteile wirtschaftlich betrachtet lediglich als Verkauf des Vertragsarztsitzes darstellt. Eine dingliche Surrogation mit der Folge, dass der Erlös sachenrechtlich an die Stelle des unpfändbaren Vertragsarztsitzes fällt, findet im Insolvenzverfahren nicht statt. Zu den Forderungen des Inhabers einer freiberuflichen Praxis siehe Rn. 62.
Rn 17
Zu beachten sind im Übrigen die berufsrechtlichen Regelungen zum Entzug der Zulassung des Schuldners. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Mandatsbeziehungen gemäß §§ 115, 116 mit Verfahrenseröffnung automatisch enden und der Verwalter nach Eröffnung neue Vertragsverhältnisse begründen muss, wenn er fortführen möchte. Ob er hierzu berechtigt ist, ist nicht geklärt, kann jedoch vor allem bei Tätigkeiten im Sinne des RVG mit der mit dem Verwalteramt verbundenen Unabhängigkeit unvereinbar sein. In der Praxis wird eine Fortführung nach Eröffnung im Rahmen einer Eigenverwaltung erfolgen und die Entschuldung mittels eines Insolvenzplans angestrebt sein, sofern ein kurzfristiger Verkauf nicht mit einem besseren Ergebnis für die Gläubiger verbunden ist. Im Fall der Zerschlagung wird regelmäßig bei Rechtsanwälten ein Abwickler (§ 55 BRAO) bzw. bei Notaren ein Notariatsverwalter (§ 58 BNotO) bestellt, dessen Vergütungsansprüche Masseverbindlichkeiten sind und die den aus der Abwicklung erzielten Überschuss an den Insolvenzverwalter auszukehren haben.
Rn 18
Probleme entstehen durch Erscheinungen des modernen Wirtschaftsverkehrs wie z. B. virtuelle Unternehmen, oder die Frage nach der Pfändbarkeit einer Internet-Domain.