3.1 Keine Zuständigkeit deutscher Gerichte
Rn 7
Nach § 354 Abs. 1 InsO setzt die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens voraus, dass die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das ganze Vermögen des Schuldners nicht gegeben ist. Zur Bestimmung der Zuständigkeit in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren enthält aber die InsO keine Vorschriften, sodass nach herrschender Meinung § 3 InsO spiegelbildlich anzuwenden ist. Nach § 3 Satz 1 InsO ist ausschließlich das Insolvenzgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. § 3 Satz 2 InsO sieht jedoch eine Ausnahme hierzu vor, wenn der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort liegt. In diesem Fall ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.
Rn 8
Die erste Voraussetzung des § 354 Abs. 1 InsO ist somit erfüllt, wenn weder der allgemeine Gerichtsstand noch der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners in Deutschland belegen ist.
3.2 Kein eröffnetes Hauptinsolvenzverfahren
Rn 9
Sollte ein Hauptinsolvenzverfahren bereits in einem Drittstaat eröffnet worden sein, so würde es sich bei dem in Deutschland eröffneten Verfahren um ein Sekundärinsolvenzverfahren i. S. d. § 356 InsO handeln und nicht um ein Partikularverfahren (zur Unterscheidung, siehe oben Rn. 1).
Rn 10
Somit setzt die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens als solches voraus, dass kein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Andernfalls wird ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet und es gelten zusätzlich die §§ 356 ff. InsO.
3.3 Antrag eines Gläubigers
Rn 11
Die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens setzt den Antrag eines Gläubigers voraus. Hierbei handelt es sich um eine Abweichung von § 13 InsO, da ein Eigenantragsrecht des Schuldners ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist abschließend, sodass § 13 InsO nicht ergänzend herangezogen werden kann.
Rn 12
Im Falle eines Sekundärinsolvenzverfahrens sieht § 356 Abs. 2 InsO vor, dass auch der ausländische Insolvenzverwalter antragsberechtigt ist.
3.4 Vorhandensein einer Niederlassung
Rn 13
Ferner ist das Vorhandensein einer Niederlassung oder alternativ von sonstigen Vermögenspositionen (siehe unten Rn. 19 f.) erforderlich. Die InsO enthält jedoch keine Legaldefinition dieses Begriffs. Umstritten ist, ob der Begriff der Niederlassung nach deutschem Recht ist, d. h. nach § 21 ZPO, oder in Anlehnung an Art. 2 lit. h) EuInsVO auszulegen ist. Nach zutreffender Ansicht ist die Definition nach Art. 2 lit. h) EuInsVO auch auf § 354 Abs. 1 InsO anzuwenden, und zwar aufgrund der vergleichbaren Zielsetzung und Rechtsentwicklung dieser beiden Normen. Das Argument, ein Rückgriff auf die Legaldefinition der EuInsVO sei nicht zulässig, da der Begriff der Niederlassung in der EuInsVO autonom auszulegen sei, ist zu verwerfen. Denn die autonome Auslegung bedeutet nur, dass das nationale Recht nicht zur Auslegung des europarechtlichen Begriffs herangezogen werden kann, verbietet aber nicht die Heranziehung des Gemeinschaftsrechts zur Auslegung einer nationalen Vorschrift.
Rn 14
Zur praktischen Auslegung kann insofern auf den Begriff der Niederlassung nach Art. 2 lit. h) EuInsVO hingewiesen werden, wonach "Niederlassung" jeden Tätigkeitsort bedeutet, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.
Rn 15
Tätigkeitsort bezeichnet einen Ort, an dem wirtschaftliche Aktivitäten zum Markt hin entfaltet werden. Damit wird der Unterschied zur bloßen Vermögensbelegenheit beschrieben. Die wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners darf ferner nicht bloß vorübergehender Art sein. Es ist also eine gewisse Dauerhaftigkeit erforderlich.
Rn 16
Beispiele einer Niederlassung sind: Eine Großbaustelle (wenn die Projektleitung dauerhaft Maschinen und Personen einsetzt und ein gewisser Organisationsgrad festzustellen ist), Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Lagerstätten .
Rn 17
Die Erforderlichkeit des Einsatzes von Personal und Vermögenswerten hat zur Folge, dass ein Mindestmaß an Organisation vorhanden sein muss. Der Einsatz von Personal und Vermögenswerten muss kumulativ erfolgen.
Rn 18
Eine Tochtergesellschaft kann ferner nicht als Niederlassung ihrer Muttergesellschaft qualifiziert werden. Würde ein Tochterunternehmen des Schuldners als dessen Niederlassung angesehen werden, könnte in dem betreffenden Staat ein Sekundärins...