Rn 13
Bei Dauerschuldverhältnissen ist zu differenzieren, ob der die Verbindlichkeit des Schuldners begründende Tatbestand vor Eröffnung des Verfahrens vollständig abgeschlossen ist oder der Tatbestand zwar auf einem einheitlichen Dauerschuldverhältnis basiert, die einzelnen Leistungen und Gegenleistungen jedoch jeweils zeitlich abgrenzbar sind.
Bei Rentenverbindlichkeiten ist der Rentenanspruch vor Eröffnung des Verfahrens vollständig entstanden, nur die einzelnen Rentenzahlungen sind nach Eröffnung des Verfahrens ohne weitere Gegenleistung des Gläubigers fällig. Daher handelt es sich bei den Rentenverbindlichkeiten insgesamt um Insolvenzforderungen.
Bei Dauerschuldverhältnissen mit wiederkehrenden Leistungen und Gegenleistungen wie beispielsweise Mietverträgen gilt grundsätzlich die allgemeine Differenzierung. Soweit die gegenseitigen Leistungs- und Gegenleistungspflichten erlöschen – beispielsweise durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 oder kraft Gesetzes (§§ 115 ff.) – endet der Tatbestand des Dauerschuldverhältnisses bereits mit Eröffnung des Verfahrens, so dass Abgrenzungsfragen sich insoweit nicht stellen.
Sofern der Insolvenzverwalter allerdings nach Ausübung seines Wahlrechtes nach § 103 oder kraft Gesetzes (§§ 108 ff.) weiter zur Leistung bzw. Gegenleistung verpflichtet ist, wird zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten analog zu dem Zeitpunkt des "Begründetseins" i. S. d. § 38 differenziert. In § 108 Abs. 3 heißt es: "Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen". § 108 Abs. 3 ist insoweit tatbestandlich spezieller, geht inhaltlich jedoch nicht wesentlich über die in § 38 normierte Differenzierung hinaus.
4.1.1 Miete von Geschäfts- oder Wohnräumen
Rn 14
Die Qualität der Ansprüche des Vermieters von Geschäfts- oder Wohnräumen auf Mietzahlung richtet sich nach den obigen Grundsätzen (§ 108 Abs. 3).
Rn 15
Der Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung entsteht nach § 163 BGB in der Regel am Monatsanfang. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass die Miete für den Monat, in den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, insgesamt Insolvenzforderung ist. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Der Wortlaut des § 108 Abs. 3 spricht eindeutig davon, dass nach dem konkreten Zeitablauf zu differenzieren ist ("Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung").
Rn 16
Aus dem Mietverhältnis resultieren neben dem Anspruch auf Zahlung der Miete auch Räumungs- und Herausgabeansprüche nach § 546 BGB oder die vertragliche Pflicht zur Erbringung von Schönheitsreparaturen.
Die Einordnung dieser Verpflichtungen als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten richtet sich sowohl nach § 38 wie auch nach § 53. So ist eine Rückbauverpflichtung nur dann Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, wenn der Zustand durch den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens verursacht wurde.
Gleichzeitig ist die Forderung nur dann eine Insolvenzforderung, wenn der rückbaupflichtige Zustand bereits vor Eröffnung des Verfahrens hergestellt wurde. Bei der mietrechtlichen Räumungsverpflichtung kommt es darauf an, wann die Gegenstände in die Mieträume verbracht wurden. Bei einer längeren Betriebsfortführung kann es hier durchaus zu praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Diesen Schwierigkeiten kann man als Insolvenzverwalter nur begegnen, indem man bei Eröffnung des Verfahrens auch über die Erfordernisse des § 151 hinaus eine ausführliche Sachaufnahme vornimmt.
Systematisch kann es vorkommen, dass eine nach Eröffnung des Verfahrens verursachte Räumungsverpflichtung weder Insolvenzforderung nach § 38 noch Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 ist; insbesondere dann, wenn die Räume nicht vom Verwalter in Besitz genommen oder aus der Insolvenzmasse freigegeben wurden.
Rn 17
Auch die Einordnung der Betriebskostennachforderung richtet sich nach dem jeweiligen Abrechnungszeitraum; auch insoweit ist eine zeitliche Zuordnung möglich.
4.1.1 Arbeitsverhältnisse
Rn 18
§ 108 Abs. 3 gilt auch für Dienstverhältnisse des Schuldners, so dass dieselben Grundsätze auch für Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gelten. Soweit die Leistung sich zeitanteilig teilen lässt, gilt auch für die Vergütung die zeitanteilige Differenzierung des § 108 Abs. 3 zwischen Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit. Das gilt auch für geleistete Mehrarbeit aufgrund einer Sanierungsvereinbarung mit Rückfallklausel und für Schadensersatzansprüche wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarungen.
Rn 19
Urlaubsansprüche und Ansprüche aus Arbeitszeitkonten werden entsprechend diesen Grundsätzen abweichend behandelt. Urlaubsansprüche werde...