Rn 3

§ 43 beinhaltet keine Regelung für Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB. Daher kann jeder der Gläubiger im Verfahren des Schuldners seine Forderung in voller Höhe anmelden. Der Verwalter des Schuldners hat jede Forderung in voller Höhe zu berücksichtigen, darf in materiell-rechtlicher Folge des § 428 BGB die Quotenzahlungen jedoch nur an einen der beteiligten Gesamtgläubiger bewirken,[6] hat dabei jedoch die freie Wahl an wen.[7]

Als Voraussetzung nennt § 43 das Vorliegen einer Haftung mehrerer Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze. Ausgeschlossen sind demnach gestufte Haftungsschuldverhältnisse, wie sie vor allem bei der Ausfallhaftung vorliegen. Als Haftungsmehrheiten im Sinne der Vorschrift kommen in Betracht:

[6] Küpper/Heinze, ZInsO 2006, 452 (456).
[7] Kübler/Prütting/Bork-Holzer, § 43 Rn. 3.

2.1 Gesamtschuld

 

Rn 4

Von § 43 wird die echte Gesamtschuld[8] im Sinne der §§ 421 ff. BGB erfasst, bei der die Leistung eines Gesamtschuldners nach § 422 Abs. 1 BGB auch zugunsten des anderen Gesamtschuldners wirkt. § 43 gilt nach allgemeiner Ansicht auch für Fälle der sog. unechten Gesamtschuld, bei der – mangels Gleichrangigkeit bzw. Gleichstufigkeit der haftenden Schuldner – der Anspruch des Gläubigers erst dann erlischt, wenn der endgültig Verpflichtete leistet (z. B. der Dieb und die Diebstahlversicherung des Eigentümers).[9] Aus Sicht des Gläubigers ergeben sich bei wirtschaftlicher Betrachtung somit keine Unterschiede zwischen den beiden Varianten der Gesamtschuld im Insolvenzverfahren, weil es aus Sicht des Gläubigers auf die innere Verbindung zwischen den Verpflichteten nicht ankommen kann.

 

Rn 5

So haften etwa VEB-Nachfolgebetriebe auch nach einer Übernahme durch die seinerzeitige Treuhandanstalt weiterhin gesamtschuldnerisch mit der heutigen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) auf die aus den Zeiten der DDR stammenden Altverbindlichkeiten.[10]

 

Rn 6

Haften die einzelnen Gesamtschuldner in ungleicher Forderungshöhe, so wird eine Gesamtschuld zwischen den Beteiligten nur in Höhe des geringsten Betrages der gemeinsamen Haftung begründet.[11] Damit ist § 43 nach Ansicht des BGH[12] auch nur in entsprechender Höhe anwendbar. Ggf. entstehen aber weitere Gesamtschuldverhältnisse zwischen den übrigen Mitgliedern der Haftungseinheit, soweit diese gemeinsam für einen weitergehenden Teilbetrag haften.

 

Rn 7

 

Beispiel

Dem Gläubiger G haften für eine Verbindlichkeit von 200 EUR eines insolventen Schuldners S die (Höchstbetrags-)Bürgen A mit 50 EUR, B mit 80 EUR und C mit 100 EUR.

Die drei Bürgen A, B und C sind gemäß § 769 BGB hinsichtlich eines Teilbetrags von 50 EUR Gesamtschuldner; insoweit gilt im Insolvenzverfahren über das Vermögen jedes der drei Bürgen und hinsichtlich der während dieser Zeit erbrachten Teilleistungen für den Betrag von 50 EUR die Vorschrift des § 43. Darüber hinaus sind B und C hinsichtlich eines weiteren Teilbetrags von 30 EUR ebenfalls Gesamtschuldner. Zuletzt verbleibt die Haftung des C von 20 EUR. Daneben haftet S mit 200 EUR und damit im Sinne des § 43 jeweils auf das Ganze.

 

Rn 8

Der Ausdruck Teilgesamtschuld trifft insoweit nicht zu, weil genau genommen im genannten Beispiel unterschiedliche Gesamtschuldverhältnisse vorliegen. Zur Problematik von (Teil-)Leistungen der einzelnen Verpflichteten bei Vorliegen mehrerer Gesamtschuldverhältnisse siehe Rn. 35 ff.

[8] Diese kann vertraglich begründet (z. B. durch Schuldbeitritt) oder gesetzlich (z. B. Mittäterhaftung gemäß § 840 BGB) vorgegeben sein, vgl. auch MünchKomm-Bitter, § 43 Rn. 5.
[9] HambKomm-Lüdtke, § 43 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen.
[10] LG Dresden ZIP 1995, 491 [LG Dresden 06.12.1994 - 41 O 804/94].
[11] BGH NJW 1969, 1165 [BGH 27.03.1969 - VII ZR 165/66]; MünchKomm BGB-Bydlinski, § 421 Rn. 5.
[12] BGH KTS 1997, 255 (256); Nerlich/Römermann-Andres, § 43 Rn. 9; a. A. (weiterhin in voller Höhe) Bitter, ZInsO 2003, 490 (492).

2.2 Bürgschaft

2.2.1 Insolvenz des Bürgen

 

Rn 9

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bürgen ist § 43 ohne weiteres anwendbar, wenn es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder die Bürgschaft eines Kaufmanns (§ 349 HGB) handelt,[13] so dass der Gläubiger seine volle Forderung anmelden kann, ohne vorher den Hauptschuldner in Anspruch nehmen zu müssen. Mehrere Bürgen haften nach § 769 BGB als Gesamtschuldner, so dass § 43 in jedem Insolvenzfall weiterer Bürgen anwendbar ist. Hinsichtlich des Problems unterschiedlicher Haftungshöhen wird auf die Ausführungen zu Rn. 6 ff. verwiesen.

 

Rn 10

Steht dem Bürgen dagegen die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zu, kann der Gläubiger seine Forderung nur als aufschiebend bedingte Forderung und auch nur in Höhe des Ausfalls geltend machen, weil materiell-rechtlich ein Stufenverhältnis besteht.[14]

 

Rn 11

Ist bzw. wird aber auch der Hauptschuldner insolvent, fällt für den Bürgen nach § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Einrede der Vorausklage weg und § 43 kommt zur Anwendung; der Gläubiger kann somit Hauptschuldner und Bürgen in voller Höhe in Anspruch nehmen. Erst mit Aufhebung des Insolvenz...

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