Rn 35
Die Stundung der Verfahrenskosten soll "ultima ratio" sein. Im Interesse des sparsamen Einsatzes öffentlicher Mittel ist der Schuldner gehalten, primär selbst für die Deckung der Verfahrenskosten Sorge zu tragen.
Rn 36
Entsprechend der Erwerbsobliegenheit während der Wohlverhaltensperiode im Restschuldbefreiungsverfahren gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 wird eine solche Obliegenheit auch im Zusammenhang mit der Stundung der Verfahrenskosten statuiert. Während den Insolvenzschuldner weder im Eröffnungsverfahren noch im eröffneten Insolvenzverfahren eine Obliegenheit trifft, die Insolvenzmasse durch Neuerwerb unter Einsatz seiner Arbeitskraft zu mehren, gilt ausweislich Nr. 4 dann etwas anderes, wenn die Verfahrenskosten gestundet werden.
Rn 37
Da die Stundung aufgehoben werden kann, wenn der Schuldner eine angemessene Erwerbstätigkeit weder ausübt, noch sich um eine solche bemüht, und die Stundung der Verfahrenskosten sich auf die Verfahrensabschnitte des Eröffnungsverfahrens, des eröffneten Verfahrens und des Restschuldbefreiungsverfahrens sowie auch auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung (vgl. § 4b Abs. 1) bezieht, wird durch Nr. 4, ohne dass dies hier oder an anderer Stelle ausdrücklich ausgeführt wird, eine dauerhafte Erwerbsobliegenheit des Schuldners geschaffen, soweit und solange gestundete Verfahrenskosten nicht vollständig durch den Schuldner beglichen sind. Die Formulierung der Erwerbsobliegenheit ist identisch mit derjenigen des § 295 Abs. 1 Nr. 1, sodass zur Auslegung auf die Kommentierung zu dieser Bestimmung verwiesen werden kann.
Nach Ansicht des BGH kann dem Schuldner, der eine Teilzeittätigkeit ausübt und sich nicht ausreichend darum bemüht eine Vollzeittätigkeit zu erhalten, nicht ohne Weiteres die Stundung entzogen werden. Es kommt erheblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, sodass eine Verallgemeinerung zur Stundungsaufhebung bei Weigerung einer Beschäftigungssuche ausscheidet. Auf bloß theoretische, tatsächlich aber unrealistische Möglichkeiten, einen angemessenen Arbeitsplatz zu erlangen, darf ein Schuldner nicht verwiesen werden.
Der BGH hat bereits entschieden, dass von einem Schuldner nicht gefordert werden kann, er müsse sich, um seinen Obliegenheiten aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO gerecht zu werden, 20 bis 30-mal im Monat bewerben, wie es teilweise die Familiengerichte von den Unterhaltspflichtigen minderjähriger unverheirateter und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder verlangen. Zudem sind unbestimmte Rechtsbegriffe der "angemessenen Erwerbstätigkeit" oder der "zumutbaren Tätigkeit" nicht vom Sozialrecht her zu bestimmen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden. Welchen Umfang die Bemühungen des Schuldners im Einzelnen aufweisen müssen, um eine hinreichende Arbeitsplatzsuche belegen zu können, lässt sich nicht allgemeingültig klären, sondern ist unter Berücksichtigung branchenbezogener, regionaler und individueller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen.
Rn 38
Der Schuldner wird seiner Erwerbsobliegenheit ggf. auch durch eine selbstständige Tätigkeit gerecht, soweit das hierdurch erzielte Einkommen demjenigen entspricht, dass bei einer abhängigen Beschäftigung erzielt werden könnte; hierbei sind indes ggf. zunächst auftretende Anfangsverluste in Kauf zu nehmen.
Rn 39
Die Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 2 und 3 stellt klar, dass das Insolvenzgericht den Schuldner zur Auskunft über die Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit auffordern und die Richtigkeit an Eides statt versichern lassen kann. Dabei handelt es sich um einen gesonderten Aufhebungsgrund nach Nr. 1.
Rn 40
Im Hinblick auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 296 Abs. 2 Satz 2 ist für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung kein Gläubigerantrag erforderlich. Da das Insolvenzgericht insoweit im öffentlichen Interesse tätig wird, kann es eigenständig darüber befinden, ob zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung die Versicherung der Richtigkeit an Eides statt erforderlich ist.
Kommt der Schuldner der Aufforderung zur Erteilung der Auskunft oder zur Abgabe der diesbezüglichen eidesstattlichen Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung trotz entsprechender Fristsetzung nicht nach oder nimmt er trotz ordnungsgemäßer Ladung einen durch das Insolvenzgericht anberaumten Termin, in dem er die geforderten Auskünfte erteilen oder die eidesstattliche Versicherung abgeben soll, ohne hinreichende Entschuldigung nicht nach, so kann das Insolvenzgericht bereits wegen dieser Säumnisse des Schuldners die Stundung aufheben, wie sich aus der Verweisung auf § 296 Abs. 2 Satz 3 ergibt.
Rn 41
Aus dem Amtsermittlungsgrundsatz sowie aus dem Gebot der Schonung des Einsatzes öffentlicher Mittel folgt eine Verpflichtung des Gerichts, sich bei tatsächlichen Anhaltspunkten oder Hinweisen eines Gläubigers über die Erfüllung der Erwerbsobliegenheit zu informieren und dementsprechende Auskunftsverlangen zu f...