Rn 18
Als weiteres bestimmendes Merkmal statuiert die Vorschrift erstmals einheitlich für das gesamte Insolvenzrecht die Unabhängigkeit des Verwalters von Gläubigern und dem Schuldner. Diese in der früheren Anwendung der KO ungeschriebene Voraussetzung soll sicherstellen, dass der Verwalter sein Amt neutral und frei von sachwidrigen Einflüssen ausüben kann. In diesem Zusammenhang führt die Begründung zum Regierungsentwurf bereits aus, dass allein die Tatsache, dass eine Verwalterpersönlichkeit von einem Gläubiger vorgeschlagen wird, keine Zweifel an der Unabhängigkeit begründen soll.
Rn 19
Das Gegenteil war in der bisherigen gerichtlichen Praxis der Fall. Es sind vereinzelt sogar Fälle bekanntgeworden, in denen Insolvenzantragsteller bewusst einzelne Verwalter für das Amt vorgeschlagen haben, um diese bei Gericht "zu verbrennen". Dies wurde nur möglich, nachdem die Gerichte oft reflexartig dazu übergegangen sind, die jeweils vom Schuldner oder Gläubiger vorgeschlagene Person auf keinen Fall zu bestellen. Um das Zusammenwirken zwischen Schuldner, Gläubiger und potentiellem Verwalter im Sinne einer erleichterten Sanierung zu verbessern, hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.3.2012 durch das ESUG in Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 eine ausdrückliche Regelung eingeführt, wonach die Unabhängigkeit nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der potentielle Verwalter vom Schuldner oder einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist. Eine automatische Ablehnung durch das Gericht allein wegen des Vorschlags dieses Verwalters scheidet also zukünftig aus. Allerdings wird das Gericht auch bei einem Schuldner- oder Gläubigervorschlag zukünftig das Vorliegen der Unabhängigkeit vom Schuldner und den beteiligten Gläubigern eingehend zu prüfen haben. Hierfür dürfte ein Fragebogen hilfreich sein, um während des Eröffnungsverfahrens auf einen entsprechenden Vorschlag die Unabhängigkeit des vorgeschlagenen Kandidaten kurzfristig prüfen zu können. Dadurch sollten eventuelle unzulässige Verbindungen zwischen dem vorgeschlagenen Kandidaten und dem Schuldner einerseits bzw. den Gläubigern andererseits ermittelt werden. Unabhängig davon hat der Verwalterkandidat von sich aus solche möglichen Interessenkollisionen aufzudecken, soweit er Mitglied des VID ist und den dort entwickelten Berufsgrundsätzen bzw. Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI-VID) unterliegt. Insbesondere das Bestehen von Beratungsverhältnissen bzw. laufenden Vertragsverhältnissen zwischen dem Vorschlagenden und dem Verwalterkandidaten dürfte in aller Regel ausreichen, um erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit des Verwalterkandidaten zu begründen. Daran ändert auch ein einstimmiger Beschluss eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a Abs. 2 nichts, da in diesem Fall das Gericht von dem Vorschlag abweichen kann, wenn der vorgeschlagene Kandidat nicht geeignet ist. Dies ist nach § 56 Abs. 1 Satz 1 der Fall, wenn er nicht unabhängig ist. Die Prüfung der Unabhängigkeit des Verwalters sollte auch nicht deshalb unterbleiben oder nur oberflächlich erfolgen, weil dem Gericht während des gesamten Verfahrens nach § 59 die Möglichkeit zusteht den Verwalter aus wichtigem Grund aus seinem Amt zu entlassen. Allein schon wegen der damit verbundenen erheblichen Verfahrensnachteile sollte dies keine Rechtfertigung dafür sein, zunächst ohne die erforderlichen Überprüfungen einen möglicherweise ungeeigneten oder abhängigen Verwalter zu bestellen. Hilfreich für eine solche Unabhängigkeitsprüfung ist auch der durch den VID Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. entwickelte Fragebogen zur Unabhängigkeit des Verwalters. Dieser sollte sich zum gerichtlichen Standard im Zusammenhang mit der Verwalterauswahl und dessen Bestellung zumindest bei wirtschaftlich bedeutsamen Verfahren entwickeln, da in diesem Verfahren die Gefahren für eine Unabhängigkeit des Verwalters besonders groß sind.
Rn 20
Bei einer Person, die im Vorfeld der Insolvenz zum Schuldnerunternehmen oder dessen Anteilseignern in einem Beratungsverhältnis stand, wird die erforderliche Unabhängigkeit im Regelfall nicht gegeben sein, vor allem wenn die Beratungstätigkeit die eingetretene wirtschaftliche Krise betraf. Da in einem solchen Geschäftsbesorgungsverhältnis vorrangig Interessen des Auftraggebers wahrzunehmen sind, besteht bei Ausübung des Verwalteramts in einem anschließenden Insolvenzverfahren regelmäßig die Gefahr einer Interessenkollision. Eine solche Kollisionslage hat der Verwalter als Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer schon nach den jeweils geltenden berufsrechtlichen Regelungen von sich aus zu beachten und unaufgefordert dem Insolvenzgericht mitzuteilen. Ein Verschweigen dieser Umstände kann daher nicht nur berufsrechtliche Sanktionen, sondern auch die Entlassung aus dem Verwalteramt aus wichtigem Grund nach sich ziehen.
Rn 20a
Daran hat auch die mit dem ESUG eingefügte und missverständliche Vorschrift des Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 nichts geändert. Der betreffende Verwalterkandidat ...