Rn 1

Das Gesetz legt in den §§ 74 bis 79 die Rahmenbedingungen für die Gläubigerversammlung als dem im Insolvenzverfahren wichtigsten Organ der Gläubigerselbstverwaltung fest. Durch dieses Organ vollzieht sich die Willensbildung der am Verfahren beteiligten Gläubiger. Es stellt jedoch lediglich ein verfahrensinternes Organ dar und ist weder in die Rechtspflege eingebunden noch außerhalb des Verfahrens für die Gläubiger handels- und vertretungsberechtigt.[1] Die Vorschriften entstanden in enger Anlehnung an die bisher nach der KO geltenden Regelungen. Sie sind aus sich heraus gut verständlich und stehen am Ende des dritten Abschnitts des Gesetzes, der das Recht der Verfahrensbeteiligten bzw. Gläubigerorgane regelt.

Insgesamt wurden auch die Neuregelungen vereinzelt auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung der Gläubigerautonomie ausgerichtet. Der stärker eingebundenen Stellung der absonderungsberechtigten Gläubiger im Verfahren wurde bei der Regelung ihrer Stimmrechte Rechnung getragen. Dort hat der Gesetzgeber auch einzelne Zweifelsfragen bisherigen Rechts geklärt.

Gerade wegen der beabsichtigten stärkeren Gläubigerautonomie ergeben sich aus der InsO weitergehende Handlungs- und Beschlusskompetenzen der Gläubigerversammlung als nach der KO, die die Rechte der Gläubigerversammlung noch in einem abschließenden Vorschriftenkatalog regelt.[2] Wie beispielsweise die Beschlussfreiheit der Gläubigerversammlung im Zusammenhang mit einer Aufforderung an den Verwalter zur Vorlage eines Insolvenzplans nach § 157 Satz 2, §§ 217 ff. zeigt, besteht zur Realisierung des Gläubigerselbstverwaltungsrechts in den Grenzen des § 78, d.h. unter Wahrung des gemeinsamen Gläubigerinteresses, eine Beschlusskompetenz zur Entscheidung über den jeweiligen Verfahrensverlauf bzw. einzelne materielle Verfahrensfragen. Gleichwohl besteht aber keine allgemeine Weisungsbefugnis gegenüber dem Verwalter hinsichtlich seiner regelmäßigen Geschäftsführung. Diese Mitwirkungsbefugnis der Gläubigerversammlung beschränkt sich vielmehr auf die gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnisse, wie z.B. in den §§ 157, 159 und 160.

 

Rn 2

Im Übrigen ergibt sich der Mindestumfang der gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse der Gläubigerversammlung daneben noch aus einer Vielzahl von Einzelvorschriften. Es handelt sich dabei um:

 
§ 57 Satz 1 Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
§ 59 Abs. 1 Satz 2 Antragsrecht auf Entlassung des Insolvenzverwalters
§ 66 Abs. 3 Anforderung und Prüfung von Zwischenrechnungen des Verwalters
§ 68 Abs. 1 Entscheidung über Einsetzung oder Beibehaltung des Gläubigerausschusses
Abs. 2 Wahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses
§ 70 Satz 2 Antragsrecht auf Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses
§ 79 Satz 1 Anforderung von einzelnen Auskünften und/oder Berichten über den Sachstand und die Geschäftsführung bei dem Insolvenzverwalter
  Satz 2 Anordnung der Prüfung des Geldverkehrs und -bestandes des Verwalters (nur sofern kein Gläubigerausschuss bestellt ist)

§ 97 Abs. 1,

§ 101
Informationsrecht gegenüber dem Schuldner, dessen Organen und Angestellten (nur auf Anordnung des Gerichts)
§ 100 Abs. 1 Entscheidung über Unterhalt des Schuldners und seiner Familie
§ 149 Abs. 3 Bestimmung der Modalitäten der Hinterlegung
§ 157 Beschlussfassung über den Fortgang des Insolvenzverfahrens im Berichtstermin
§ 160 Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist
§ 161 Satz 2 Optionale Beschlussfassung über besonders bedeutsame Rechtshandlungen, nach vorläufiger Untersagung durch das Insolvenzgericht
§ 162 Abs. 1 Zustimmung zur Betriebsveräußerung an besonders Interessierte
§ 163 Abs. 1 Zustimmung zur Betriebsveräußerung unter Wert, bei Anordnung des Zustimmungserfordernisses durch das Insolvenzgericht
§ 197 Abs. 1 Nr. 1 Erörterung der Schlussrechnung des Verwalters
  Nr. 3 Entscheidung über nicht verwertbare Vermögensgegenstände
§ 207 Abs. 2 Anhörung vor Verfahrenseinstellung mangels Masse
§ 233 Satz 2 Zustimmung zum Antrag des Verwalters auf Fortsetzung der Verwertung und Verteilung trotz Planvorlage
§ 235 Abs. 1 Satz 1 Erörterung des Insolvenzplans; Abstimmung über selbigen
§ 271 Satz 1 Antrag auf nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung, in der ersten Gläubigerversammlung
§ 272 Abs. 1 Nr. 1 Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung
§ 277 Abs. 1 Satz 1 Antrag auf Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit für bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners bei Eigenverwaltung
§ 284 Abs. 1 Satz 1 Auftrag an Sachwalter oder Schuldner zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans bei Eigenverwaltung
§ 292 Abs. 2 Satz 1 Auftrag an Treuhänder zur Überwachung der Obliegenheitserfüllung durch den Schuldner bei Restschuldbefreiung
§ 313 Abs. 2 Satz 3 Auftrag an Gläubiger zur Durchführung einer Insolvenzanfechtung (§§ 129 bis 147), bei vereinfachtem Insolvenzverfahren
 

Rn 3

Die wichtigsten gesetzlich vorgeschriebenen Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren sind:

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