Rn 2
Eine nach den §§ 74, 75 einberufene Gläubigerversammlung wird ausschließlich vom Insolvenzgericht geleitet. Funktionell obliegt diese Leitung dem Rechtspfleger, soweit sich der Insolvenzrichter nicht diesen Teil des Insolvenzverfahrens gemäß § 18 Abs. 2 RpflG i.d.F. nach Art. 14 Nr. 5 EGInsO vorbehalten oder nachträglich wieder an sich gezogen hat. Allgemein wird dadurch dem Insolvenzgericht gesetzlich die Aufgabe zugewiesen, einen formal ordnungsgemäßen Ablauf der Gläubigerversammlung nach den insoweit einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen. Inhaltlich beschränkt sich der Regelungsgehalt des Abs. 1 auf die Normierung einer formalen Ordnungs- und Leitungsfunktion des Gerichts bei Abhaltung der Gläubigerversammlung. Diese wird ergänzt um eine i.S. der Deregulierung und gestärkten Gläubigerautonomie beschränkte materiell-rechtliche Aufsichtsfunktion des Insolvenzgerichts, wie sie etwa in den §§ 57, 70 und 78 zum Ausdruck kommt.
Rn 3
Im Einzelnen steht also dem Insolvenzgericht die Ordnungsgewalt in der Gläubigerversammlung (sog. Sitzungspolizei) zu (vgl. §§ 175–183 GVG). Daneben hat das Gericht die Aufgabe, auch die gerichtsförmlichen Vorschriften über die Öffentlichkeit umzusetzen (§§ 169 ff. GVG). Danach kann also nur das Insolvenzgericht gemäß § 175 Abs. 2 Satz 1 am Verfahren unbeteiligten Personen Zutritt zur Gläubigerversammlung gewähren, wie z.B. Vertretern der Presse oder Personen zu Ausbildungszwecken. Es hat aber grundsätzlich durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass wegen der für die Gläubigerversammlung geltenden Grundsätze der sog. eingeschränkten Parteiöffentlichkeit (vgl. § 74) nur Teilnahmeberechtigte Zutritt erhalten. Zu diesem Zweck ist es zulässig, vor Eintritt in die Gläubigerversammlung eine Ausweiskontrolle vorzunehmen oder einen geeigneten Nachweis über die rechtsgeschäftliche oder organschaftliche Vertretungsbefugnis zu verlangen. Insbesondere bei Großverfahren mit einer Vielzahl von Teilnehmern können solche Maßnahmen auch zeitlich im notwendigen Umfang vor der Gläubigerversammlung durchgeführt werden, wie z.B. die Ausgabe von Stimmkarten durch die Geschäftsstelle nach vorherigem Nachweis der Berechtigung innerhalb eines bekannt gemachten Zeitraums.
Rn 4
Weiterhin bestimmt sich nach der allgemeinen Verweisung in § 4 die Terminsleitung nach den Grundsätzen des § 136 ZPO. Das Gericht entscheidet also über die Reihenfolge der Wortmeldungen bzw. Sitzungsbeiträge der Gläubiger und sorgt für eine organisatorisch reibungslose und zügige Abwicklung der Gläubigerversammlung nach der vorgesehenen Tagesordnung.
Das Gericht hat darüber hinaus die Vorgänge in der Gläubigerversammlung ordnungsgemäß und ausreichend nach den ebenfalls über § 4 uneingeschränkt anwendbaren Grundsätzen der §§ 159 ff. ZPO zu protokollieren. Nach der Gläubigerversammlung hat es das Protokoll den Beteiligten zuzusenden; für dessen Beweiskraft gilt § 165 ZPO entsprechend.
Rn 5
Zu den formalen Leitungsaufgaben gehört aber vor allem die Durchführung der in der jeweiligen Gläubigerversammlung notwendigen Abstimmungen als Grundlage für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung. Hierzu hat das Gericht den jeweiligen Abstimmungsgegenstand ausreichend zu verdeutlichen, die Stimmrechte der einzelnen Gläubiger nach den Grundsätzen des § 77 festzustellen und eine entsprechende Stimmliste zu führen sowie die Stimmenauszählung vorzunehmen und das Abstimmergebnis zu protokollieren.
Rn 6
Daneben wird es aber auch Aufgabe des Insolvenzgerichts sein, den nicht selten in einer Gläubigerversammlung anwesenden unerfahrenen Gläubigern sachdienliche verfahrensrechtliche Hinweise bzw. Anregungen zu geben, wobei es sich jedoch einer Einflussnahme auf die Gläubiger i.S. eines Hinwirkens auf eine bestimmte Entscheidung in jedem Fall zu enthalten hat. Es kann allenfalls in verfahrensrechtlicher Hinsicht Hilfestellung zur Vorbereitung der ansonsten autonom von der Gläubigerversammlung zu treffenden Entscheidungen geben, wie z.B. über die gesetzlich erwünschte, aber nicht zwingend vorgeschriebene Zusammensetzung eines Gläubigerausschusses. Ebenso fällt dem Gericht die Aufgabe zu, die am Verfahren Beteiligten über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären (wie z.B. Gläubigerausschussmitglieder), allein schon um die gesetzlich vorgesehene ordnungsgemäße Willensbildung in der Gläubigerversammlung sicherzustellen. In dieser Hinsicht wird das Gelingen einer Gläubigerversammlung wesentlich vom diplomatischen Geschick und Fingerspitzengefühl des sitzungsleitenden Rechtspflegers/Insolvenzrichters abhängen. Er hat für die vorrangige Beschränkung des Insolvenzgerichts auf die Überwachung der Einhaltung insolvenzrechtlicher Formvorschriften zu sorgen und nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen auch eine inhaltliche Prüfung der Versammlungsbeschlüsse vorzunehmen.