Rn 7

Abs. 2 enthält die Regelung der formalen Voraussetzungen für das wirksame Zustandekommen eines Beschlusses der Gläubigerversammlung. Zu den zulässigen Beschlussinhalten vgl. § 74.

Voraussetzung für eine formal ordnungsgemäße Beschlussfassung der Gläubigerversammlung ist deren Beschlussfähigkeit. Eine Mindestanzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger ist dafür gesetzlich jedoch nicht vorgesehen.[6] Es muss aber dennoch denkgesetzlich mindestens ein stimmberechtigter Gläubiger berechtigt an der Abstimmung teilnehmen, ansonsten liegt eine Beschlussunfähigkeit der Gläubigerversammlung vor.[7] Erscheint also beispielsweise ein Gläubiger, der aber entweder nicht stimmberechtigt ist oder als "Richter in eigener Sache" einem Stimmverbot unterliegt,[8] so kann naturgemäß nicht ordnungsgemäß abgestimmt werden. In diesem Fall kann auch ein Beschluss des Insolvenzgerichts die nach der Tagesordnung von der Gläubigerversammlung zu treffende Entscheidung nicht ersetzen.[9] Zwar haben in diesem Fall die Gläubiger auf die Rechte aus den §§ 57 bzw. 68 verzichtet, jedoch schreibt das Gesetz für die Vornahme besonders bedeutsamer Rechtshandlungen bzw. bestimmte Fälle der Betriebsveräußerung durch den Verwalter in den §§ 160 bis 163 zwingend die Zustimmung der Gläubigerversammlung vor, soweit nicht ein gewählter Gläubigerausschuss zustimmen kann. Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, dass die Gläubiger durch Nichterscheinen in der Versammlung dokumentiert haben, an den Verfahrensvorgängen nicht interessiert zu sein und daraus eine konkludente Zustimmung zu allen erforderlichen Maßnahmen des Verwalters abzuleiten sei. Ganz abgesehen von dem allgemeinen Grundsatz, dass Schweigen keine Zustimmung bedeutet, wird der Verwalter bei Beschlussunfähigkeit der Gläubigerversammlung nicht handlungsunfähig. Es ist ihm in diesem Fall lediglich verwehrt, die möglicherweise im Einzelfall durchaus sinnvollen bedeutsamen Rechtshandlungen bzw. eine entsprechende Betriebsveräußerung im Interesse der Gläubiger vorzunehmen. Dokumentieren die Gläubiger aber durch ihr Nichterscheinen, dass sie daran kein Interesse haben, verbleibt es eben bei der gesetzlich in § 159 vorgesehenen Einzelverwertung, auch wenn diese für die am Verfahren beteiligten Gläubiger mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein sollte. Diese haben die Gläubiger jedoch durch ihr Verhalten selbst verursacht und können auch nicht durch ein systemwidriges "billiges Ermessen" des Insolvenzgerichts vermieden werden. Dennoch sollte in solchen Fällen vom Insolvenzgericht kurzfristig ein neuer Versammlungstermin bestimmt werden, um allen späteren Einwendungen der am Verfahren beteiligten Gläubiger vorzubeugen. Das Kostenargument sowie die damit verbundene Verfahrensverzögerung sollten dem nicht entgegenstehen,[10] da eine ansonsten zwingend erforderliche bloße Zerschlagung des Schuldnervermögens im Wege der Einzelverwertung den beteiligten Gläubigern meist erheblich größere Nachteile bringt.

 

Rn 8

Ist dagegen Beschlussfähigkeit gegeben, so kommt ein Beschluss der Gläubigerversammlung zustande, wenn die Mehrheit der Forderungen der abstimmenden Gläubiger für den Beschlussgegenstand votiert. Es ist also in keinem Fall mehr auf eine Kopfmehrheit, sondern ausschließlich nur noch auf eine Summenmehrheit im Verhältnis zu den durch die abstimmenden Gläubiger repräsentierten Gesamtforderungen abzustellen. Deren jeweilige Höhe wird nach den in § 77 niedergelegten Grundsätzen bestimmt, wobei diese Bestimmung insbesondere für streitige Stimmrechte für jede Gläubigerversammlung neu vorzunehmen ist.[11] Demnach muss also die Summe der Forderungsbeträge, die die zustimmenden Gläubiger repräsentiert werden, größer sein als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge, die von den insgesamt abstimmenden Gläubigern repräsentiert werden, d.h., bei Enthaltung eines Gläubigers wird die von ihm repräsentierte Forderung bei der Ermittlung des zugrunde zu legenden Gesamtforderungsvolumens nicht einbezogen. Daraus ergibt sich, dass Stimmverbote bei einzelnen Beschlussgegenständen immer berücksichtigt werden müssen. Bei Stimmengleichheit ist der Beschlussgegenstand abgelehnt. Eine Abstimmung über den jeweiligen Beschlussgegenstand kann in der laufenden oder einer darauf folgenden Gläubigerversammlung jederzeit wiederholt werden, wenn die Gläubigerversammlung mit Rücksicht auf die ihr zustehende autonome Entscheidungsbefugnis dies mit der erforderlichen Stimmenmehrheit beschließt.

 

Rn 9

Indem die gesetzliche Neuregelung für die Berechnung der Stimmenmehrheit auf das von den abstimmenden Gläubigern repräsentierte Gesamtforderungsvolumen abstellt, enthält sie auch eine wesentliche Neuerung gegenüber dem alten Recht. Dort war noch in § 97 KO vorgesehen, dass nur die Stimmen der in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubiger gezählt werden. Daraus ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch in der Versammlung nicht persönlich anwesende oder vertretene Gläubiger stimmberechtigt sind.[12] F...

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