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Bei der Regelung über die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung handelt es sich um eine weitere Konkretisierung der im Verfahren gegenüber den Beteiligten bzw. Organen bestehenden Aufsichtsfunktion bzw. Rechtskontrolle des Insolvenzgerichts. Sie wird ergänzt durch die Parallelvorschriften § 58, 59, 70. Mit diesem Instrumentarium soll dem Insolvenzgericht eine Kontrollmöglichkeit gegen eine ausufernde und lediglich von Einzelinteressen bestimmte vermeintliche "Gläubigerautonomie" gegeben werden. Vorrangig zielt die Vorschrift damit auf die Verhinderung des Machtmissbrauchs durch Großgläubiger mit Stimmenmehrheit im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Bei dieser Zielrichtung bedeutet die dem Insolvenzgericht zugewiesene Aufhebungskompetenz auch keinen unzulässigen Eingriff in die gesetzlich ansonsten vorrangig berücksichtigte Gläubigerautonomie.

Noch im ursprünglichen Regierungsentwurf zur InsO war ein umfassender Minderheitenschutz vorgesehen, soweit durch Beschlüsse der Gläubigerversammlung eine unangemessene Benachteiligung einzelner Gläubigergruppen festzustellen war. Ergänzt werden sollte dieser Minderheitenschutz zusätzlich durch eine Ausgleichsverpflichtung der durch den Beschluss begünstigten gegenüber der benachteiligten Gläubigergruppe. Schon die bemerkenswert umfangreiche Begründung der Entwurfsverfasser zu der Vorschrift bringt zum Ausdruck, auf welch unsicheres Terrain man sich damit begeben hatte. Dort wurde darauf abgestellt, dass bei Beschlüssen der Gläubigerversammlung die unterschiedlichen Interessen verschiedener Gruppen von Gläubigern berücksichtigt werden müssen und Beschlüsse anzustreben seien, die keine Gruppe benachteiligen. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass bei diesen Prämissen in der Praxis kaum Beschlüsse zur Förderung einer effektiven Verfahrensabwicklung mehr möglich wären. Vielmehr würde wahrscheinlich sogar der eigentliche Verfahrenszweck durch die Streitigkeiten der verschiedenen am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigergruppen untereinander völlig in den Hintergrund gedrängt werden.

Erfreulicherweise hat sich der Gesetzgeber auf Empfehlung des Rechtsausschusses von diesem "Allen wohl und niemand weh"-Prinzip verabschiedet und ist zu dem bereits in § 99 KO enthaltenen bewährten Begriff des gemeinsamen Gläubigerinteresses zurückgekehrt. Dabei wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Begriff in der Vergangenheit kaum zu praktischen Schwierigkeiten geführt hat.[1]

[1] BegrRechtsA, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 258.

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