Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
3.1 Rechtsfolgen bei nach § 82 befreiender Leistung
Rn 12
Bei Leistung an den Insolvenzschuldner in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung wird der Leistende ("Drittschuldner") von seiner Verbindlichkeit befreit, und zwar sowohl gegenüber der Insolvenzmasse bzw. dem für diese empfangszuständigen Insolvenzverwalter als – selbstverständlich – auch gegenüber dem Insolvenzschuldner persönlich. Gegenstände, die der Leistende an den Insolvenzschuldner übertragen hat, fallen gemäß § 35 Abs. 1 Fall 2 rechtlich in die Insolvenzmasse und können vom Verwalter gemäß § 148 auch faktisch zur Masse gezogen werden. Bei einer befreienden Leistung an einen Gläubiger des Insolvenzschuldners oder an einen sonstigen vom Insolvenzschuldner vor der Verfahrenseröffnung bestimmten Dritten kann der Verwalter analog § 816 Abs. 2 BGB vom Empfänger Herausgabe des Geleisteten verlangen.
3.2 Rechtsfolgen bei nicht befreiender Leistung an den Insolvenzschuldner
Rn 13
Wird der Leistende bei einer Leistung an den Insolvenzschuldner wegen Kenntnis von der Verfahrenseröffnung nicht nach § 82 befreit und gelangt das Geleistete auch nicht tatsächlich in die Insolvenzmasse (zu diesem Fall s.o. bei Rn. 2), kann der Insolvenzverwalter (nochmalige) Leistung zur Insolvenzmasse verlangen. Diesem Verlangen soll aber nach ganz überwiegender Meinung der Schuldner den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) jedenfalls dann entgegensetzen können, wenn es dem Verwalter unschwer möglich ist, die zu Unrecht vom Insolvenzschuldner angenommene Leistung zur Insolvenzmasse zu ziehen. Eine solche Beschränkung des Rechts eines Gläubigers gegenüber seinem Schuldner, dessen Tilgungsversuch weder zu einer Befriedigung des Gläubigers noch zu einer Befreiung des Schuldners geführt hat, ist an sich ungewöhnlich. Hat etwa ein Schuldner statt an seinen Gläubiger ohne Befreiungswirkung irrtümlich an einen Nichtgläubiger geleistet, wird von niemandem an den wahren Gläubiger das Ansinnen gestellt, er müsse vor Geltendmachung seiner fortbestehenden Forderung gegen seinen Schuldner vorrangig um die Einziehung des Geleisteten beim nicht berechtigten Empfänger bemüht sein, indem er die Leistung an diesen genehmigt (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB) und den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB durchzusetzen versucht. Dass dies bei einer gegenüber der Masse nicht befreienden Leistung an den Insolvenzschuldner überwiegend anders gesehen wird, scheint jedenfalls seit Geltung der InsO durch die für den Leistenden nunmehr (scheinbar) besonders missliche insolvenzrechtliche Situation erklärlich zu sein: Dessen durch die nicht befreiende Leistung erworbener Bereicherungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner ist eine "Neuforderung" (vgl. § 38), für die also nur das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners haftet. Zu diesem gehört aber jetzt der Neuerwerb des Insolvenzschuldners nicht mehr (§ 35 Abs. 1 Fall 2). Auch der ohne Befreiungswirkung an den Insolvenzschuldner geleistete Gegenstand fällt rechtlich in die Insolvenzmasse. Auf ihn kann also nur der Verwalter Zugriff nehmen (§ 148 Abs. 1). Bevor dieser Zugriff gelungen und damit das Geleistete auch tatsächlich in die Masse gelangt ist, hat die Leistung aber keine Befreiungswirkung gegenüber der Masse (vgl. den Gedanken des § 8 Abs. 1 KO und dazu oben bei Rn. 2). Eine nochmalige Leistung, diesmal in die Insolvenzmasse, muss der Schuldner aber nur Zug um Zug gegen "Herausgabe" der rechtlich bereits in die Masse gefallenen Position, also z.B. gegen Abtretung des Anspruchs aus § 148 Abs. 1, erbringen (§ 273 Abs. 1 BGB). Denn um diese Position wäre die Masse in sonstiger Weise auf Kosten des Schuldners ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB, § 55 Abs. 1 Nr. 3), wenn dieser jetzt in die Insolvenzmasse leistet, und für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB genügt es, dass der Gegenanspruch mit der Erbringung der geschuldeten Leistung entsteht. Da sich der Leistende somit bei Inanspruchnahme durch den Verwalter den Zugriff auf den geleisteten Gegenstand verschaffen kann, wird man nur ausnahmsweise eine Obliegenheit des Verwalters zur vorrangigen Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners bejahen können, etwa dann, wenn er wegen seiner besonderen Nähe zu diesem eine offensichtlich größere Chance zur raschen Verwirklichung des Anspruchs hat. Die Führung...