Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 2
Nach Abs. 1 muss vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insolvenzverfahrens beim Schuldner eine Erbschaft angefallen sein. Dabei ist es gleichgültig, ob er als Erbe oder als Ersatzerbe (§ 1953 Abs. 2, § 2096 BGB) berufen ist. Ihm steht in diesem Fall nach Anfall der Erbschaft gemäß § 1943 BGB das Recht zur Annahme der Erbschaft oder nach § 1942 BGB das Recht zu deren Ausschlagung zu. Gleiches gilt für das ebenfalls in Abs. 1 erwähnte Vermächtnis. Dieses fällt nach § 2176 BGB an, mit dem Recht, es gemäß § 2180 BGB anzunehmen oder auszuschlagen. Für die Annahme und Ausschlagung verweist § 2180 Abs. 3 BGB auf die für die Erbschaft insoweit geltenden Vorschriften.
Rn 3
Ähnliches gilt für die fortgesetzte Gütergemeinschaft. Diese tritt gemäß § 1483 BGB nach dem Tode eines Ehegatten ein, der mit dem anderen Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft und darüber hinaus vereinbart hatte, dass diese Gütergemeinschaft nach dem Tode eines Ehegatten zwischen dem Überlebenden und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird. In diesem Fall wird die Gütergemeinschaft mit denjenigen gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt, die bei gesetzlicher Erbfolge als Erben berufen sind. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut gehört nicht zum Nachlass (vgl. § 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Auch hier kann aber der überlebende Ehegatte nach § 1484 Abs. 1 BGB die Fortsetzung dieser Gütergemeinschaft ablehnen. Hierfür wird in § 1484 Abs. 2 BGB ebenfalls auf die Vorschriften verwiesen, die für die Ausschlagung einer Erbschaft gelten.
Rn 4
Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass mit dem Anfall des Rechts bzw. Eintritt des Ereignisses noch kein endgültiger Rechtserwerb des Begünstigten verbunden ist, solange das Ausschlagungs- bzw. Ablehnungsrecht nach den genannten gesetzlichen Vorschriften noch besteht. Wegen der Höchstpersönlichkeit dieser Ausschlagungs- bzw. Ablehnungsrechte verbleibt es bei einer insolvenzfreien Entscheidungsbefugnis des Schuldners über die Annahme bzw. Ablehnung in den vorgenannten Fällen nach Abs. 1. Dies gilt sowohl bei Anfall des Rechts bzw. Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft vor Verfahrenseröffnung als auch bei Eintritt dieser Ereignisse während des Insolvenzverfahrens. Der Schuldner kann also auch während der Dauer des Verfahrens völlig unbeschränkt entscheiden, ob er die Erbschaft bzw. das Vermächtnis ausschlägt oder die fortgesetzte Gütergemeinschaft ablehnt und auf diese Weise eine Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse verhindert.
2.1 Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses
Rn 5
Entscheidet sich also der Schuldner vor Verfahrenseröffnung oder während des Verfahrens, die Erbschaft oder das Vermächtnis auszuschlagen, so fallen die mit der Erbschaft verbundenen Nachlassgegenstände bzw. der Miterbenanteil oder das mit dem Vermächtnis verbundene Vermögensrecht nicht in die Insolvenzmasse, da der Rechtserwerb und damit die Vermögenszugehörigkeit i.S.d. § 35 verhindert wird. Hatte der Verwalter die betreffenden Gegenstände bereits in Besitz genommen, entstehen Aussonderungsrechte der nach der Ausschlagung Berechtigten gemäß §§ 47, 48. Eine solche Ausschlagung ist auch weder für den Verwalter nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 129 ff.) noch für die Gläubiger nach den allgemeinen Vorschriften des Anfechtungsgesetzes anfechtbar, da es widersprüchlich wäre, eine Handlung, die § 83 Abs. 1 dem Insolvenzschuldner sogar noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausdrücklich freistellt, dann der Kontrolle des Verwalters (oder der Gläubiger) zu unterwerfen, wenn sie vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden ist.
2.2 Annahme der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses
Rn 6
Hat der Schuldner die Erbschaft oder das Vermächtnis angenommen oder ist bei der Erbschaft die Ausschlagungsfrist verstrichen (vgl. § 1943 BGB), so fällt die mit dem Nachlass bzw. dem Erbteil verbundene Vermögensgesamtheit gemäß § 35 endgültig in die Insolvenzmasse. Auch ein der Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass fällt in die Insolvenzmasse des über das Gesamtvermögen des Erben eröffneten Insolvenzverfahrens. Er bildet innerhalb dieser Insolvenzmasse bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung aber eine Sondermasse, auf die nur die Nachlassgläubiger, nicht aber die Eigengläubiger des Erben Zugriff nehmen können (§ 2214 BGB). Über die Gegenstände dieses Sondervermögens kann während des Bestehens der Testamentsvollstreckung nur der Testamentsvollstrecker, nicht der Insolvenzverwalter verfügen, da die (absolute) Verfügungsbeschränkung des § 2211 Abs. 1 BGB auch gegen den Insolvenzverwalter wirkt. Der Verwalter im Erbeninsolvenzverfahren kann mithin Gegenstände, die der Testamentsvollstreckung unterliegen, erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung verwerten.
Mit dem Nachlass gehen auch die Nachlassverbindlichkeiten, für die der Insolvenzschuldner als Erbe gemäß § 1967 BGB haftet, auf die Insolvenzmasse des Erbeninsolvenzverfahrens über. Ist der Erbfall vor Verfahrenseröffnung eingetret...