Rn 10

Wird die Aufrechnungslage vor der Insolvenzeröffnung geschützt, hat der Insolvenzgläubiger nach der allgemeinen Vorschrift des § 388 BGB seine Aufrechnungserklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter abzugeben, da der Schuldner wegen § 80 Abs. 1 nicht mehr zur Entgegennahme der Willenserklärung legitimiert ist. Das Gestaltungsrecht kann der Insolvenzgläubiger nur ausüben, bevor er die der Masse zustehende Hauptforderung erfüllt hat. Eine rückwirkende Nachholung ist ebenso wenig möglich wie eine Rückforderung der Leistung durch den Insolvenzgläubiger.[28]

Bei wirksamer Aufrechnungserklärung treten die in § 389 BGB geregelten Wirkungen ein, insbesondere die daraus resultierende Rückwirkung der Aufrechnungswirkung. Der Insolvenzgläubiger muss also nicht an dem zur Feststellung der Insolvenzforderungen geregelten Verfahren nach den §§ 174 ff. teilnehmen. Gleichwohl ist er davon wegen seiner Aufrechnungsbefugnis nicht ausgeschlossen, vielmehr empfiehlt sich eine vorsorgliche Forderungsanmeldung in den Fällen, in denen die Aufrechnungsvoraussetzungen unklar sind oder der Insolvenzverwalter die Wirksamkeit der Aufrechnung bestreitet. Die darauf erfolgende Feststellung der Forderung im Insolvenzverfahren entfaltet keine Bindungswirkung oder Rechtskraft für einen sich daran vor der allgemeinen Gerichtsbarkeit anschließenden Rechtsstreit zwischen Insolvenzverwalter und Gläubiger über die Aufrechnung.[29]

Außerdem ist der Insolvenzgläubiger nicht zur Aufrechnung verpflichtet. Verzögert er die Aufrechnung und macht seine Forderung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend, so kann der Insolvenzverwalter entweder selbst aufrechnen mit den damit nach § 389 BGB verbundenen Wirkungen oder zur Beitreibung der massezugehörigen Hauptforderung übergehen. Hiermit kann er – wichtig, wenn die Insolvenzforderung die Forderung der Masse übersteigt – verhindern, dass der Insolvenzgläubiger die Quote auf die volle Forderung erhält und erst dann aufrechnet. Eine dem § 52 Satz 2 (Ausfallprinzip) entsprechende Regelung, die eine solche Besserstellung des Gläubigers von vornherein verhindern würden, gibt es bei der Aufrechnung nämlich nicht.[30]

[28] RGZ 120, 280 (282 f.); 144, 93 (94); Kübler/Prütting-Lüke, § 94 Rn. 112; MünchKomm-Brandes, § 94 Rn. 34; Palandt-Sprau, BGB, 62. Aufl., § 813 Rn. 4; Uhlenbruck, § 94 Rn. 42; offen gelassen von BGH WM 1963, 964 (965).
[29] Häsemeyer, Rn. 19.34.
[30] Kübler/Prütting-Lüke, § 94 Rn. 109; MünchKomm-Brandes, § 94 Rn. 35; a.A. im Ergebnis Adam, WM 1998, 801 (806 f.). Häsemeyer, Rn. 19.06, und Kübler/Prütting-Lüke, § 94 Rn. 110, glauben, das wünschenswerte Ergebnis aus der Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) herleiten zu können.

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