Rn 14
§ 96 Abs. 1 Nr. 4 beruht auf dem Prinzip, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine strenge Trennung zwischen Insolvenzmasse und Insolvenzschuldner vollzogen wird. Wie sich aus § 80 ergibt, kann der Schuldner ab diesem Zeitpunkt die Insolvenzmasse nicht mehr verpflichten. Insofern stellt die Vorschrift nur die sich ohnehin aus § 80 ergebenden Konsequenzen nochmals ausdrücklich klar. Würde man dagegen in dem dort geregelten Fall die Aufrechnung zulassen, käme das im Ergebnis einer nachträglichen Verfügung des Schuldners über den Umweg einer Aufrechnung durch Dritte gleich. Kauft beispielsweise der Schuldner nach Verfahrenseröffnung einen Gegenstand bei einem Dritten, der gleichzeitig etwas gegenüber der Insolvenzmasse schuldet, so kann der Verkäufer mit seiner daraus resultierenden Kaufpreisforderung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 4 nicht gegenüber dem Anspruch der Insolvenzmasse aufrechnen. Vielmehr muss er sich als sog. Neugläubiger an das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners halten, obwohl der Kaufgegenstand als Neuerwerb nach § 35 in die Insolvenzmasse fällt.[62] Dieser misslichen Konsequenz kann der Verkäufer nur dadurch entgehen, dass er auf einer Zug-um-Zug-Leistung besteht.[63] Dies soll auch im umgekehrten Fall gelten, in dem der Schuldner einen unpfändbaren und deswegen nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand an einen Dritten verkauft. In diesem Fall fällt die Kaufpreisforderung des Schuldners gemäß § 35 in die Insolvenzmasse. Ist der Käufer gleichzeitig Insolvenzgläubiger, scheitert seine Aufrechnung dagegen nicht an § 96 Abs. 1 Nr. 4, aber an § 96 Abs. 1 Nr. 1.[64] Dem Vertragspartner des Insolvenzschuldners soll aber Aufrechnungsschutz analog § 406 BGB zuteil werden, wenn er bei Vertragsschluss von der Verfahrenseröffnung keine Kenntnis hat.[65] Man weiß allerdings nicht genau, an welche Aufrechnungskonstellation dabei gedacht wird: Aufrechnung mit einer Geldforderung aus dem mit dem Insolvenzschuldner geschlossenen Vertrag gegen eine zur Masse gehörende Geldforderung (das hätte mit § 406 BGB wenig zu tun) oder Aufrechnung mit einer auf Geld gerichteten Insolvenzforderung oder aus dem freien Vermögen des Insolvenzschuldners zu erfüllenden Forderung[66] gegen eine nach § 35 Abs. 1 Fall 2 in die Insolvenzmasse fallende Geldforderung aus dem mit dem Insolvenzschuldner geschlossenen Vertrag (das entspräche § 406 BGB bzw. mehr noch § 2041 Satz 2 i. V. m. § 2019 Abs. 2 Hs. 2 BGB, hat aber entweder mit § 96 Abs. 1 Nr. 4 nichts zu tun oder ist wenig ergiebig)?
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