Rn 8

Die Diensterfindung muss vom Arbeitgeber i. S. d. § 6 ArbnErfG in Anspruch genommen worden sein, da sie erst hierdurch der Insolvenzmasse zugehörig wird.[27] Die Inanspruchnahme setzt eine ordnungsgemäße Erfindungsmeldung durch den Arbeitnehmer voraus. Dieser ist nach § 5 Abs. 1 ArbnErfG zur unverzüglichen Meldung der Diensterfindung nach deren Fertigstellung verpflichtet. Unverzüglich ist dabei als ohne schuldhaftes Zögern i. S.v. § 121 Abs. 1 BGB zu verstehen.[28] Ohne eine ordnungsgemäße Erfindungsmeldung wird die Frist des § 6 Abs. 2 ArbnErfG nicht in Gang gesetzt, so dass es auch nicht zu einer fingierten Inanspruchnahmeerklärung kommt.[29] Auch bei einer verspäteten Erfindungsmeldung gilt, dass das vom Gesetzgeber vorgesehene System der Zuordnung des Erfindungsrechts und des Vergütungsanspruchs erst mit der Meldung der Diensterfindung durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber eingreift.[30]

Durch die Inanspruchnahme gehen alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber über.[31] Gleichzeitig entsteht der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. Bei ihm handelt es sich allerdings nicht um einen einheitlichen Anspruch, der einmalig entsteht. Stattdessen entstehen für die Dauer des Schutzrechts fortlaufend neue Vergütungsansprüche. Gegen die Entstehung eines einzigen Vergütungsanspruchs streitet neben der Tatsache, dass die Höhe der Vergütungsforderung zunächst nicht feststeht, insbesondere auch § 27 Nr. 4 ArbnErfG. Wenn es dort heißt, der Arbeitnehmer könne seine Vergütungsansprüche im Übrigen nicht als Insolvenzforderung geltend machen kann, zeigt dies, dass es sich beim Vergütungsanspruch nicht um einen einheitlichen Anspruch handeln kann, da ein Anspruch nur Insolvenzforderung oder Masseforderung sein kann.[32]

§ 6 ArbnErfG hat durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts wesentliche Änderungen erfahren, die sich sowohl auf Abs. 1 als auch auf Abs. 2 der Norm beziehen.

Zur alten Rechtslage hatte das OLG Karlsruhe[33] entschieden, dass das Recht auf Inanspruchnahme der Diensterfindung i. S. v. § 6 ArbnErfG kein Anwartschaftsrecht, sondern ein Recht eigener Art darstellte, das als höchstpersönliches Recht des Arbeitgebers weder übertragbar noch pfändbar oder verpfändbar war. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Diensterfindung erst mit der Inanspruchnahme, d. h. mit der Ausübung des Rechts auf Inanspruchnahme Bestandteil der Insolvenzmasse wird.[34]

[27] Reimer/Schade/Schippel, ArbnErfG, § 27 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, § 159 Rn. 13; Paul, ZInsO 2009, 1839 ff.
[28] Schwab, ArbnErfR, § 5 Rn. 5.
[29] Zu weiteren sich aus der unterlassenen Erfindungsmeldung ergebenden Rechtsfolgen: Schwab, ArbnErfR, § 5 Rn. 16.
[30] Zu weiteren sich aus der verspäteten Erfindungsmeldung ergebenden Rechtsfragen: Schütt/Böhnke, GRUR 2013, 789 ff.
[31] FK-Bartenbach/Volz, Anhang I Rn. 31.
[32] Wiedemann, Vergütung des Arbeitnehmererfinders in der Insolvenz des Arbeitgebers (§ 27 ArbnErfG), S. 69 ff.
[34] Für ein Anwartschaftsrecht des Arbeitgebers bereits vor Inanspruchnahme der Diensterfindung: Hofmann, GRUR-RR 2013, 233 ff.

2.2.1 Ausdrückliche Inanspruchnahme (§ 6 Abs. 1 ArbnErfG)

 

Rn 9

Die Inanspruchnahme der Diensterfindung kann zum einen durch arbeitgeberseitige Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen. Die von § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbnErfG a. F. verlangte schriftliche Erklärung ist wegen der in § 6 Abs. 2 ArbnErfG neu eingeführten Fiktion der Inanspruchnahme nicht mehr erforderlich, da die Wirkungen der Inanspruchnahme ohne weiteres Zutun mit Zeitablauf eintreten.[35] Ein besonderer Formzwang lässt sich nach Ansicht des Gesetzgebers auch nicht damit rechtfertigen, dass aus der zeitlich früher (durch schriftliche Erklärung) bewirkten Inanspruchnahme besondere Rechtsfolgen erwachsen könnten.[36]

Die Erklärung, die Diensterfindung in Anspruch zu nehmen, kann durch die Schuldnerin auch noch während des Insolvenzantragsverfahrens nach Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters abgegeben werden; selbst eine Erklärung durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter ist möglich und ausreichend.

[35] RegE-Begr., BT-Drs. 16/11 339, S. 50.
[36] Vgl. zu den Einzelheiten RegE-Begr., BT-Drs. 16/11 339, S. 50; hierzu Bartenbach/Volz, GRUR 2009, 997 (1002 f.).

2.2.2 Fingierte Inanspruchnahme (§ 6 Abs. 2 ArbnErfG)

 

Rn 10

Mit der Novellierung von § 6 Abs. 2 ArbnErfG ist das bislang bekannte Regel-/Ausnahmeverhältnis umgekehrt worden. Sah § 6 Abs. 2 ArbnErfG a. F. noch vor, dass der Arbeitgeber spätestens binnen vier Monaten nach Meldung die Erfindung in Anspruch nehmen musste, um zu verhindern, dass diese nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 ArbnErfG a. F. frei wurde, gilt nach der Neufassung der Vorschrift die Inanspruchnahme der Erfindung als erklärt, wenn der Arbeitgeber sie nicht binnen vier Monaten nach Eingang einer ordnungsgemäßen Meldung freigibt. Bei dieser Fiktion handelt es sich nach Ansicht des Gesetzgebers um den Kernpunkt der Reform des Arbeitnehmererfindungsrechts im Jahre 2009, durch die eine Vielzahl der in der ...

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