Rn 12
Entsprechend des Einleitungssatzes ist der Anwendungsbereich von § 27 ArbnErfG nur dann eröffnet, wenn die Arbeitgeberinsolvenz der Inanspruchnahme der Diensterfindung nachfolgt. Zwar fällt die Diensterfindung ebenfalls in die Insolvenzmasse, wenn sie erst vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird und führt die Inanspruchnahme hinsichtlich der Vergütungsforderungen zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, doch ist § 27 ArbnErfG in dieser Konstellation nicht anwendbar.
An der hieraus resultierenden Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm ist bereits früher, d. h. vor der Novellierung per 01.10.2009 Kritik geübt worden. Aufgrund der Beibehaltung dieses Erfordernisses in § 27 ArbnErfG n. F. gelten die Bedenken auch weiterhin. So ist hinsichtlich einzelner im Folgenden noch näher zu erörternder Regelungen in den Nummern 1 bis 4 von § 27 ArbnErfG nicht ersichtlich, wie sich die Differenzierung rechtfertigt. Hat z. B. der insolvente Arbeitgeber die Diensterfindung in Anspruch genommen und verwertet der Insolvenzverwalter diese durch Veräußerung des gesamten Geschäftsbetriebs, tritt nach § 27 Nr. 1 ArbnErfG der Erwerber für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Vergütungspflicht gemäß § 9 ArbnErfG ein. Erfolgte die Inanspruchnahme der Diensterfindung demgegenüber durch den Insolvenzverwalter und kommt es sodann zu der Geschäftsveräußerung mitsamt der Diensterfindung, trifft den Erwerber die Verpflichtung, die Erfindungsvergütung zu zahlen, mangels eines § 27 Nr. 1 ArbnErfG vergleichbaren gesetzlichen Schuldeintritts erst ab dem Zeitpunkt des Geschäftserwerbs. Die zuerst genannte Situation ist für den Erfinder also günstiger, weil sich die Zahlungspflicht des Erwerbers auf einen längeren Zeitraum erstreckt. Dies kann für den Arbeitnehmer insbesondere im Fall einer im Insolvenzverfahren angezeigten Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) vorteilhaft sein. Gleichwohl ist für diese Ungleichbehandlung ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich. Meines Erachtens existiert bei Anwendbarkeit von § 27 ArbnErfG schon ein Bedürfnis für den gesetzlichen Schuldeintritt des Erwerbers für Vergütungsansprüche ab Verfahrenseröffnung nicht. Der Erwerber sollte erst ab dem Erwerbszeitpunkt für Vergütungsforderungen haften. Verlagert man entgegen dem hiesigen Vorschlag und entsprechend der derzeit geltenden Rechtslage die Zahlungsverpflichtung zeitlich nach vorn, sollte Gleiches im Falle einer Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung analog gelten. Dies würde bedeuten, dass der Erwerber auch in dieser Konstellation für sämtliche nach Inanspruchnahme der Diensterfindung entstandenen Vergütungsansprüche zu haften hat.
Ein Blick in die Gesetzesmaterialien zeigt zudem, dass der Gesetzgeber zwar bewusst die in Rede stehende Beschränkung des § 27 ArbnErfG auf vor Insolvenzeröffnung erfolgte Inanspruchnahmen vorgenommen hat – allerdings lediglich unter Berücksichtigung der Vergütungsansprüche des Arbeitnehmererfinders. Insoweit heißt es in der Begründung zur Gesetzesänderung mit Inkrafttreten der InsO, dass die Vergütungsansprüche "voll aus der Insolvenzmasse zu erfüllen sind." Nicht bedacht worden sind jedoch die sonstigen Rechte des Arbeitnehmererfinders (ehemals: Vorkaufsrecht bei Veräußerung der Diensterfindung ohne Geschäftsbetrieb, Übertragungsanspruch bei Aufgabe der Verwertungsabsicht usw.; jetzt: Anbietungspflicht), die in der Gesetzesbegründung keinerlei Erwähnung finden. Auch das spricht zumindest für die Zukunft dafür, eine Gleichstellung der vor bzw. nach Insolvenzeröffnung unbeschränkt in Anspruch genommenen Diensterfindungen herbeizuführen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 27 ArbnErfG muss jedenfalls de lege lata noch eine Unterscheidung der Arbeitnehmererfinderrechte nach dem Zeitpunkt der unbeschränkten Inanspruchnahme der Diensterfindung vorgenommen werden.