Rn 5
Art. 3 sieht es vor, dass parallele Insolvenzverfahren eröffnet werden können. Deshalb verstößt ein Gläubiger, der im Rahmen eines in einem anderen Mitgliedstaat eröffneten Insolvenzverfahrens befriedigt wird, gegen keine Vorschrift, sondern macht mit einer doppelten Forderungsanmeldung lediglich seine Rechte geltend. Dieser Gläubiger darf behalten, was er im ersten Verfahren, bei dem die Verteilung vorgenommen wurde, erlangt hat.
Rn 6
Damit aber die Gleichbehandlung aller Gläubiger in der EU gewahrt wird, darf ein Gläubiger, der die Zahlung erhalten hat, an anderen Verteilungen erst teilnehmen, wenn die Forderungen der Gläubiger gleichen Ranges im gleichen Maße befriedigt worden sind.
Der Insolvenzverwalter hat also konsolidierte Quoten zu berechnen.
Rn 7
Das Berechnungsverfahren setzt sich aus vier Regeln zusammen.
- Kein Gläubiger kann mehr als 100 % seiner Forderung erhalten.
- Es ist immer der ursprüngliche Betrag der Forderung (100 % ihres ursprünglichen Wertes) geltend zu machen und nicht die Restforderung.
- Eine Forderung wird bei der Verteilung erst berücksichtigt, wenn die Gläubiger desselben Ranges im Rahmen dieses Verfahrens zum gleichen Prozentsatz befriedigt wurden wie der Inhaber der Forderung im ersten Verfahren.
- Der Rang oder die Kategorie der einzelnen Forderungen bestimmt sich für jedes Verfahren nach der lex fori concursus.
Rn 8
Wenn auf unterschiedliche Insolvenzverfahren unterschiedliche Insolvenzvorschriften Anwendung finden, kann es vorkommen, dass dieselbe Forderung, die in zwei unterschiedlichen Verfahren angemeldet wird, jeweils einen unterschiedlichen Rang erhält. Bei der Anwendung des Art. 20 Abs. 2 wird lediglich der Rang oder die Kategorie berücksichtigt, in den bzw. die die Forderung nach dem Recht eingestuft wird, das für das Verfahren gilt, in dessen Rahmen die Verteilung erfolgt.
Rn 9
Bei der Berechnung der Quote wird nur der in anderen Verfahren erlangte Prozentsatz der Befriedigung und nicht der Rang oder die Kategorie der Forderung in anderen Verfahren berücksichtigt.
Rn 10
Beispiel
Der deutsche Gläubiger X hat im Rahmen eines in Mitgliedstaat Y eröffneten Verfahrens 5 % einer Forderung erhalten. Er kann an der Verteilung in einem Verfahren im Mitgliedstaat Z (dort hat er ebenfalls seine Forderung angemeldet) erst teilnehmen, wenn die gewöhnlichen Gläubiger hier ebenfalls zu 5 % ihrer Forderungen befriedigt wurden. Bei der Forderung des Gläubigers X handelt es sich im Mitgliedstaat Y umeine gewöhnliche Forderung, im Mitgliedstaat Z aber würde es sich um eine bevorrechtigte Forderung handeln. Die Forderung wurde im Mitgliedstaat Y ungeachtet ihres Rangs zu 5 % befriedigt. Diese 5 % werden der Quote gegenübergestellt, die nach den in Mitgliedsstaat Z geltenden Vorschriften auf bevorrechtigte Forderungen Anwendung findet. Wenn in Mitgliedstaat Z für eine derartige Forderungen eine Quote von 25 % vorgesehen sein sollte, erlangt X in Z eine Quote von 20 % (25 %–5 %).