Rn 1
Art. 4 enthält die grundlegende Kollisionsnorm der Verordnung. Er legt fest, welches Recht auf das Insolvenzverfahren und seine Abwicklung sowie auf seine Wirkungen anwendbar ist.
Rn 2
Wenn die EuInsVO keine abweichenden Vorschriften enthält, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Recht des Insolvenzeröffnungsstaates (lex fori concursus), Art. 4 Abs. 1. Die lex fori concursus regelt alle verfahrensrechtlichen sowie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse.[1]
Rn 3
Dabei findet Art. 4 auf Haupt- und Territorialinsolvenzverfahren gleichermaßen Anwendung. Bei Art. 28 handelt es sich in Bezug auf Sekundärinsolvenzverfahren um eine reine Wiederholung, die lediglich der Klarstellung dient.
Rn 4
Problematisch ist, was unter "Insolvenzrecht" im Sinne des Art. 4 zu verstehen ist.[2] Fraglich ist dabei insbesondere, ob darunter alles fällt, was die lex fori concursus unter "Insolvenzrecht" versteht oder ob nur ein gemeinsamer Nenner aller Rechte der Mitgliedstaaten damit gemeint ist.
Rn 5
So stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG zum "Insolvenzrecht" gehört, obwohl sie gerade nicht in der InsO geregelt ist und andere Mitgliedstaaten[3] sie innerhalb des jeweiligen Insolvenzgesetzes geregelt haben. Man wird dabei wohl mit Paulus davon ausgehen können, dass auch § 64 GmbHG Bestandteil des deutschen Insolvenzrechts ist. Es kann nämlich nicht sein, dass nur die Staaten ihre Geschäftsführerhaftung in anderen Mitgliedstaaten über Art. 4 anwenden können, die diese Regelungsmaterie zufällig in ihren Insolvenzgesetzen erfasst haben.[4]
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