Gesetzestext

 

(1) Die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung des Schuldners aufzurechnen, wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist.

(2) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.

1. Art. 4 Abs. 2 lit. d

 

Rn 1

Die Wirksamkeit einer Aufrechnung im Insolvenzverfahren unterfällt grundsätzlich der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 lit. d). Dies gilt aufgrund des weiten Wortlautes der Vorschrift sowohl für ihre insolvenzrechtliche Zulässigkeit als auch für ihre materielle Wirksamkeit, str.[1]

 

Rn 2

Insofern unterscheidet sich die EuInsVO vom deutschen internationalen Insolvenzrecht. Letzteres bestimmt die insolvenzrechtliche Zulässigkeit nach der lex fori concursus, die materielle Wirksamkeit jedoch nach dem Schuldstatut der Hauptforderung.[2]

[1] So die überwiegende Ansicht im Schrifttum: Huber, ZZP 114 (2001), 133 (161); Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (6) Fn. 33; Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (343); a.A. v. Wilmowsky, KTS 1998, 434 (358 ff.), Bork, ZIP 2002, 690 (694): Art. 4 EuInsVO sei dahin gehend zu verstehen, dass diese Norm nur die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsschranken, nicht aber die zivilrechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen regelt. Diese Auslegung entspricht der bisherigen Handhabung im deutschen internationalen Insolvenzrecht.
[2] Dazu auch Bork, ZIP 2002, 690 (692).

2. Art. 6 Abs. 1

 

Rn 3

Wenn die lex fori concursus die Aufrechnung zulässt, ergeben sich keine Probleme. Auf eine (zusätzliche) Zulässigkeit gemäß Art. 6 kommt es nicht an. Ist nach dem Recht des Eröffnungsstaates eine Aufrechnung jedoch nicht zulässig, so ist ein Gläubiger nach Art. 6 dennoch zur Aufrechnung berechtigt, wenn diese nach dem für die Forderung des Schuldners maßgeblichen Recht möglich ist. Damit erhält die Aufrechnung eine Art Garantiefunktion aufgrund von Rechtsvorschriften, auf die sich der betreffende Gläubiger zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung verlassen kann.[3]

 

Rn 4

Art. 6 Abs. 1 kann allerdings nur dann angewendet werden, wenn sich die Aufrechnung auf gegenseitige Forderungen bezieht, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.[4]

 

Rn 5

Bei einer Aufrechnung, der erst nach diesem Zeitpunkt entstandene Forderungen zugrunde liegen, ist ausnahmslos Art. 4 Abs. 2 lit. d anzuwenden.[5]

[3] Lehr, KTS 2000, 577 (580), Bork, ZIP 2002, 690 (694).
[4] Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, 32 (74), Kemper, ZIP 2001, 1609 (1617).
[5] Bork, ZIP 2002, 690 (694); Huber, ZZP 114 (2001), 133 (161); Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (343).

3. Art. 6 Abs. 2

 

Rn 6

Wie die Regelung in Art. 5 Abs. 4 oder in Art. 7 Abs. 3 sieht auch Art. 6 Abs. 2 vor, dass jede die Gläubiger schädigende Rechtshandlung durch eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage oder eine Klage auf relative Unwirksamkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. m korrigiert werden kann.[6]

[6] Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, 32 (74).

4. Aufsatzliteratur

 

Rn 7

Bork, Die Aufrechnung im internationalen Insolvenzrecht, ZIP 2002, 690

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