Rn 1

Kurz vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) zum 1.1.1999 hat das Bundesministerium der Justiz am 19.8.1998 eine neue Vergütungsverordnung (InsVV) erlassen. Sie gilt für alle in der InsO geregelten Verfahren, deren Vorschriften auf die allgemeinen Vergütungsregelungen des Regelinsolvenzverfahrens in den §§ 63 bis 65 InsO verweisen. Die Vergütung für Beteiligte in Verfahren nach der Konkursordnung, der Vergleichsordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung richtet sich dagegen weiterhin nach der bisherigen Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats v. 25.5.1960[1] in ihrer letzten Fassung vom 11.6.1979.[2] Das Konkurrenzverhältnis (vgl. Rn. 21) zwischen beiden Verordnungen sowie der verschiedenen Fassungen der InsVV untereinander regelt § 19.

 

Rn 2

Die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung lehnt sich an die Grundsätze der bisher geltenden Verordnung an, obwohl im Laufe des mehrjährigen Rechtsetzungsverfahrens nach Äußerungen beteiligter Stellen aus dem Bundesministerium der Justiz sowohl die Zulassung von Vergütungsvereinbarungen zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter als auch ein gänzlicher Verzicht auf ausdrückliche Vergütungsregelungen erwogen worden waren.

 

Rn 3

Durch den Rückgriff auf die bisherigen Vergütungsgrundsätze wurden naturgemäß einige Ungereimtheiten des bisherigen Vergütungsrechts perpetuiert. So findet sich beispielsweise auch in der neuen InsVV keinerlei Regelungsansatz dafür, welche Grundsätze den sog.vergütungsrechtlichen Normalfall charakterisieren, der aber denkgesetzlich dem System einer sog.Regelvergütung zugrunde liegt. Andererseits beantwortet die Vergütungsverordnung einige Streitfragen aus der Vergangenheit und schließt bisher regelungsfreie Räume. So enthalten die vergütungsrechtlichen Vorschriften erstmals ausdrückliche Regelungen für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters und Klarstellungen im Bereich der Beschäftigung von Hilfskräften sowie für den Fall des Einsatzes besonderer Sachkunde des Verwalters.

 

Rn 4

Eines der wichtigsten Ziele der neuen Verordnung war es aber, die als unzureichend erkannten bisherigen Staffelvergütungssätze in § 3 der alten Verordnung den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen und gestiegenen Anforderungen an den Verwalter anzupassen, nachdem sich mit Rücksicht darauf im Geltungsbereich der bisherigen Vergütungsverordnung schon für sog.Normalverfahren ein vier- bis fünffacher Regelsatz als faktische Regelvergütung etabliert hatte.[3] Dieses Ziel hat der Verordnungsgeber dagegen nicht durchgängig erreicht, wie ein Vergleich der beiden "Regelvergütungen" für die jeweiligen Berechnungswerte der einzelnen Vergütungsstufen zeigt.[4] Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden, zumal die zum letzten Entwurf einer Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung gegebene Begründung des Verordnungsgebers ausdrücklich mitteilt, dass sich zum einen die neue Vergütungsverordnung an der heutigen Praxis zur Auslegung und Anwendung der alten Vergütungsverordnung orientiere und zum anderen für die Vergütung des Verwalters bei der Mehrzahl der Verfahren gegenüber der bisherigen Vergütungspraxis keine Verschlechterung eintrete.[5] Demgegenüber ist der Begründung aber auch zu entnehmen, dass durch die Neubestimmung der Staffelsätze vor allem bei großen Insolvenzmassen die Vergütungen nicht in "unangemessene Höhen" steigen sollen, wobei zur Bestärkung auf nicht näher genannte "spektakuläre Einzelfälle vor einiger Zeit" Bezug genommen wird.[6]

Aus diesen subjektiven Erwägungen bzw. Einzelfallbetrachtungen schließt der Verordnungsgeber dann, dass das bisherige Vergütungsrecht in diesem Bereich nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führe. Mit dieser Begründung offenbart der Verordnungsgeber aber ein Fehlverständnis von der Systematik und Funktion des in der Vergütungsverordnung enthaltenen sog. offenen Vergütungssystems, das gerade auf eine unbestimmte Vielzahl von Einzelfällen zugeschnitten ist und deshalb auch flexibel und vor allem einzelfallbezogen gehandhabt werden muss. Soweit in Einzelfällen durch Rechtsanwendungsfehler stark überhöhte Vergütungen festgesetzt worden sein sollten, ist dies für sich noch kein Grund, die Funktionalität der zugrunde liegenden Vergütungsregelung in Abrede zu stellen. Allerdings bieten solche Ausnahmefälle einen hervorragenden Anlass, rein subjektive Angemessenheits- und Sättigungserwägungen in restriktivere Verordnungsregelungen umzusetzen. Dies führt dann dazu, dass – wie bei der überkommenen Vergütungsverordnung[7] – die neue Vergütungsregelung bereits am Tage ihres Inkrafttretens teilweise überholt ist und in der praktischen Anwendung die Regelsätze auch für Normalverfahren überschritten werden müssen, zumal nach der InsO die Anforderungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter und späteren Insolvenzverwalter teilweise erheblich gestiegen sind (z.B. Übertragung der Zustellungen, Prüfung der Erforderlic...

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