Gesetzestext
Die Gläubigerversammlung soll bei einem Schuldner mit Sitz im Inland am Sitz des Schuldners stattfinden. Sind die Schuldverschreibungen an einer Wertpapierbörse im Sinne des § 1 Absatz 3e des Kreditwesengesetzes zum Handel zugelassen, deren Sitz innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, so kann die Gläubigerversammlung auch am Sitz dieser Wertpapierbörse stattfinden. § 30a Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes bleibt unberührt
1. Allgemeines
Rn 1
Die Vorschrift regelt, wo die Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger stattfinden soll. Eine vergleichbare Norm kannte das SchVG 1899 nicht. Durch die Regelung soll nach der Intention des Gesetzgebers Rechtssicherheit insoweit erreicht werden, als Streitigkeiten darüber, ob allein die Wahl eines bestimmten Versammlungsortes die berechtigten Interessen der Gläubiger verletzt, bereits von vornherein die Grundlage entzogen wird.
2. Ort der Versammlung
2.1 Sitz des Schuldners
Rn 2
Hat der Schuldner im Inland seinen Sitz, soll die Gläubigerversammlung an diesem Sitz stattfinden (§ 11 Satz 1). Die Regelung ist als Soll-Vorschrift Gesetz geworden, so dass die Durchführung der Gläubigerversammlung am Schuldnersitz nicht zwingend ist. Abweichende Regelungen (z.B. in den Anleihebedingungen) sind möglich. Die in der Begründung des Regierungsentwurfs enthaltene Feststellung, "die Vorschrift bestimmt, an welchem Ort die Gläubigerversammlung abzuhalten ist", trägt also nicht, wenngleich zuzugestehen ist, dass der mit der Norm verfolgte Zweck, Rechtssicherheit zu schaffen, nur bei einem Verständnis derselben als Ist-Vorschrift zu erreichen ist. Dem steht aber der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen.
2.2 Sitz der Wertpapierbörse
Rn 3
Bei einem Emittenten, dessen Schuldverschreibung zum Handel an einer Wertpapierbörse der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes zugelassen sind, kann die Gläubigerversammlung auch am Sitz dieser Wertpapierbörse stattfinden (§ 11 Satz 2). Diese Alternative besteht neben der Möglichkeit, die Gläubigerversammlung am Sitz des Schuldners durchzuführen. Sie setzt also entgegen Horn nicht voraus, dass ein inländischer Sitz nicht existiert.
3. Insolvenzverfahren
Rn 4
Die Vorschrift gilt auch im Insolvenzverfahren. Sie wird nicht durch den in § 19 Abs. 1 angeordneten grundsätzlichen Vorrang der insolvenzrechtlichen Bestimmungen verdrängt. Die InsO kennt keine Regelung, die den Ort der Versammlung der Anleihegläubiger normiert. Insbesondere gelten § 4 InsO i. V. m. §§ 13 ff. ZPO, da sie nur die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts und damit zusammenhängend den Ort der Gläubigerversammlung i. S. d. § 156 InsO normieren, nicht. Damit kann die Versammlung der Anleihegläubiger auch nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Emittenten zum einen an dessen Sitz (dieser kann, muss aber nicht mit dem Sitz des Insolvenzgerichts übereinstimmen) stattfinden (§ 11 Satz 1). Sofern aber die Anleihebedingungen einen anderen Ort vorsehen, ist indes dieser maßgeblich. Sollten die Schuldverschreibungen an einer Wertpapierbörse der EU oder des EWR zugelassen sein, kann die Versammlung der Anleihegläubiger auch dorthin einberufen werden.
Rn 5
In jedem Fall ist jedoch zu beachten, dass die Durchführung der Versammlung mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein wird, deren Aufbringung angesichts des laufenden Insolvenzverfahrens zweifelhaft sein kann. Vor diesem Hintergrund kann sich empfehlen, die Gläubigerversammlung schon allein aus Kostengründen, insbesondere dann, wenn sie ohnehin vom Insolvenzgericht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 einberufen wird, bei Gericht stattfinden zu lassen.