Rn 2
Der Emittent ist auf Verlangen eines jeden Gläubigers in der Gläubigerversammlung verpflichtet, Auskünfte zu erteilen. Diese Verpflichtung reicht jedoch nur soweit, wie die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist (§ 16 Abs. 1). Mit der Auskunftspflicht des Emittenten korrespondiert ein – ebenfalls auf zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungsgegenstände bzw. der Beschlussvorschläge beschränktes – Auskunftsrecht des Aktionärs. Die Norm, die § 131 Abs. 1 AktG nachgebildet ist, dient im Zusammenspiel mit §§ 12, 13 der Information der Schuldverschreibungsgläubiger.
2.1 Auskunftsgläubiger
Rn 3
§ 16 Abs. 1 gewährt ein individuelles Informationsrecht zu Gunsten des jeweiligen Gläubigers, nicht hingegen zu Gunsten der Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger.
Rn 4
Das Recht, Auskunft zu verlangen, steht jedem einzelnen Anleihegläubiger – unabhängig von der Anzahl der von ihm gehaltenen Schuldverschreibungen – zu. Auch ist es nicht von Relevanz, ob das Stimmrecht eines Gläubigers ruht (z. B. nach § 6 Abs. 1 Satz 2). Die Tatsache, dass ein Anleihegläubiger bereits zur Abgabe seiner Stimme in einem bestimmten Sinne entschlossen ist, steht dem Auskunftsrecht gleichfalls nicht entgegen.
Rn 5
Hat die Gläubigerversammlung es gestattet, dass neben den Schuldverschreibungsgläubigern noch Dritte an ihr teilnehmen (z. B. Pressevertreter), steht diesen Personen kein Auskunftsanspruch nach § 16 Abs. 1 zu.
2.2 Auskunftsschuldner
Rn 6
Zur Erteilung der Auskunft verpflichtet, ist der Schuldner. Dieser wird hierbei von seinem organschaftlichen Vertreter (bei der AG also vom Vorstand) vertreten. Hierin liegt eine geringfügige Abweichung vom Aktienrecht, wo § 131 Abs. 1 in der Hauptversammlung eine Pflicht zur Auskunftserteilung des Vorstandes gegenüber den Aktionären statuiert. Dennoch besteht im aktienrechtlichen Schrifttum Einigkeit darüber, dass der Vorstand zwar die Auskunft zu erteilen hat, dies jedoch aufgrund des Organverhältnisses für die AG vornimmt. Die Auskunftspflicht des Schuldners besteht auch unabhängig davon, ob dieser – durch den Vorstand – die Gläubigerversammlung leitet. Umgekehrt begründet die Versammlungsleitung (§ 15 Abs. 1) durch andere Personen, etwa durch den allgemeinen Vertreter (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) oder durch die Gläubiger (§ 9 Abs. 2), nicht deren Auskunftspflicht.
Rn 7
Die Erteilung der Auskunft durch den Vorstand ist bei einer Aktiengesellschaft eine Maßnahme der Geschäftsführung, so dass der Vorstand nach § 77 AktG grundsätzlich einstimmig darüber zu entscheiden hat, ob und mit welchem Inhalt er Auskünfte erteilt.
2.3 Auskunftsverlangen
Rn 8
Der Schuldner ist nicht von sich aus verpflichtet, Auskünfte zu erteilen; vielmehr hat er dies nur dann zu tun, wenn es verlangt wird. Das setzt voraus, dass an den Schuldner (gegebenenfalls über den Versammlungsleiter) eine Frage herangetragen wird. Die Frage kann mündlich, aber wohl auch schriftlich gestellt werden, da das SchVG eine § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG vergleichbare Beschränkungsbefugnis des Fragerechts des Versammlungsleiters in der Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger nicht kennt. Die Frage muss in der Gläubigerversammlung gestellt werden. Eine vorherige Ankündigung ist nicht erforderlich, aber bei schwierigen Fragen durchaus empfehlenswert.
2.4 Umfang der Auskunftspflicht
Rn 9
Die Auskunft ist zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. Die aus § 131 Abs. 1 AktG bekannte Begrenzung auf "Angelegenheiten der Gesellschaft" findet sich in § 16 Abs. 1 nicht. Eine nennenswerte Erweiterung des Umfangs der Auskunftspflicht geht damit jedoch nicht einher, da unter den Angelegenheiten der Gesellschaft im Aktienrecht ohnehin alles verstanden wird, was sich auf die Gesellschaft oder ihre Tätigkeit bezieht. Die wesentliche Einschränkung der Auskunftspflicht ergibt sich deshalb auch nur aus der Formulierung "soweit zur sachgemäßen Beurteilung … erforderlich". Dieser Zusatz findet sich jedoch sowohl in § 16 Abs. 1 als auch in § 131 Abs. 1 AktG.
Rn 10
Ob eine Frage zur sachgemäßen Beurteilung erforderlich ist, bestimmt sich nach objektiver Betrachtungsweise. Entscheidend ist, ob ein objektiv denkender Schuldverschreibungsgläubiger die begehrte Auskunft als wesentliche Grundlage für seine Entscheidungsfindung ansehen würde.
Rn 11
Die Auskunftspflicht des Schuldners findet darüber hinaus dort ihre Grenzen, wo das Auskunftsrecht des Gläubigers beschränkt ist. Das kann beispielsweise aufgrund einer Regelung in den Anleihebedingungen geschehen, um so zu verhindern, dass die Gläubigerversammlung durch ausufernde Fragen in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt wird. Insoweit sollten die entsprechenden aktienrechtlic...