Gesetzestext
(1) Der Schuldner hat jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist.
(2) Auf die Abgabe und die Auszählung der Stimmen sind die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Abstimmung der Aktionäre in der Hauptversammlung entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den Anleihebedingungen etwas anderes vorgesehen ist.
(3) Jeder Beschluss der Gläubigerversammlung bedarf zu seiner Gültigkeit der Beurkundung durch eine über die Verhandlung aufgenommene Niederschrift. Findet die Gläubigerversammlung im Inland statt, so ist die Niederschrift durch einen Notar aufzunehmen; bei einer Gläubigerversammlung im Ausland muss eine Niederschrift gewährleistet sein, die der Niederschrift durch einen Notar gleichwertig ist. § 130 Absatz 2 bis 4 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. Jeder Gläubiger, der in der Gläubigerversammlung erschienen oder durch Bevollmächtigte vertreten war, kann binnen eines Jahres nach dem Tag der Versammlung von dem Schuldner eine Abschrift der Niederschrift und der Anlagen verlangen.
1. Allgemeines
Rn 1
Die Vorschrift begründet zum einen eine Verpflichtung des Schuldners zur Auskunftserteilung über Gegenstände der Tagesordnung sowie Beschlussvorschläge (Abs. 1). Zum zweiten verweist die Norm hinsichtlich der Abgabe und der Auszählung der Stimmen auf die Vorschriften des Aktiengesetzes (Abs. 2). Drittens schließlich statuiert die Vorschrift die Verpflichtung, die Beschlüsse der Gläubigerversammlung in einer beurkundeten Niederschrift festzuhalten (Abs. 3).
2. Auskunftspflicht
Rn 2
Der Emittent ist auf Verlangen eines jeden Gläubigers in der Gläubigerversammlung verpflichtet, Auskünfte zu erteilen. Diese Verpflichtung reicht jedoch nur soweit, wie die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist (§ 16 Abs. 1). Mit der Auskunftspflicht des Emittenten korrespondiert ein – ebenfalls auf zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungsgegenstände bzw. der Beschlussvorschläge beschränktes – Auskunftsrecht des Aktionärs. Die Norm, die § 131 Abs. 1 AktG nachgebildet ist, dient im Zusammenspiel mit §§ 12, 13 der Information der Schuldverschreibungsgläubiger.
2.1 Auskunftsgläubiger
Rn 3
§ 16 Abs. 1 gewährt ein individuelles Informationsrecht zu Gunsten des jeweiligen Gläubigers, nicht hingegen zu Gunsten der Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger.
Rn 4
Das Recht, Auskunft zu verlangen, steht jedem einzelnen Anleihegläubiger – unabhängig von der Anzahl der von ihm gehaltenen Schuldverschreibungen – zu. Auch ist es nicht von Relevanz, ob das Stimmrecht eines Gläubigers ruht (z. B. nach § 6 Abs. 1 Satz 2). Die Tatsache, dass ein Anleihegläubiger bereits zur Abgabe seiner Stimme in einem bestimmten Sinne entschlossen ist, steht dem Auskunftsrecht gleichfalls nicht entgegen.
Rn 5
Hat die Gläubigerversammlung es gestattet, dass neben den Schuldverschreibungsgläubigern noch Dritte an ihr teilnehmen (z. B. Pressevertreter), steht diesen Personen kein Auskunftsanspruch nach § 16 Abs. 1 zu.
2.2 Auskunftsschuldner
Rn 6
Zur Erteilung der Auskunft verpflichtet, ist der Schuldner. Dieser wird hierbei von seinem organschaftlichen Vertreter (bei der AG also vom Vorstand) vertreten. Hierin liegt eine geringfügige Abweichung vom Aktienrecht, wo § 131 Abs. 1 in der Hauptversammlung eine Pflicht zur Auskunftserteilung des Vorstandes gegenüber den Aktionären statuiert. Dennoch besteht im aktienrechtlichen Schrifttum Einigkeit darüber, dass der Vorstand zwar die Auskunft zu erteilen hat, dies jedoch aufgrund des Organverhältnisses für die AG vornimmt. Die Auskunftspflicht des Schuldners besteht auch unabhängig davon, ob dieser – durch den Vorstand – die Gläubigerversammlung leitet. Umgekehrt begründet die Versammlungsleitung (§ 15 Abs. 1) durch andere Personen, etwa durch den allgemeinen Vertreter (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) oder durch die Gläubiger (§ 9 Abs. 2), nicht deren Auskunftspflicht.
Rn 7
Die Erteilung der Auskunft durch den Vorstand ist bei einer Aktiengesellschaft eine Maßnahme der Geschäftsführung, so dass der Vorstand nach § 77 AktG grundsätzlich einstimmig darüber zu entscheiden hat, ob und mit welchem Inhalt er Auskünfte erteilt.
2.3 Auskunftsverlangen
Rn 8
Der Schuldner ist nicht von sich aus verpflichtet, Auskünfte zu erteilen; vielmehr hat er dies nur dann zu tun, wenn es verlangt wird. Das setzt voraus, dass an den Schuldner (gegebenenfalls über den Versammlungsleiter) eine Frage herangetragen wird. Die Frage kann mündlich, aber wohl auch schriftlich gestellt werden, da das SchVG eine § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG vergleichbare Beschränkungsbefugnis des Fragerechts des Versammlungsleiters in der Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger nicht kennt. Die Frage muss in der Gläubigerversammlung gestellt werden. Eine vor...