§ 18 Abstimmung ohne Versammlung

 

(1) Auf die Abstimmung ohne Versammlung sind die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung entsprechend anzuwenden, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist.

(2) 1Die Abstimmung wird vom Abstimmungsleiter geleitet. 2Abstimmungsleiter ist ein vom Schuldner beauftragter Notar oder der gemeinsame Vertreter der Gläubiger, wenn er zu der Abstimmung aufgefordert hat, oder eine vom Gericht bestimmte Person. 3§ 9 Absatz 2 Satz 2 ist entsprechend anwendbar.

(3) 1In der Aufforderung zur Stimmabgabe ist der Zeitraum anzugeben, innerhalb dessen die Stimmen abgegeben werden können. 2Er beträgt mindestens 72 Stunden. Während des Abstimmungszeitraums können die Gläubiger ihre Stimme gegenüber dem Abstimmungsleiter in Textform abgeben. 3In den Anleihebedingungen können auch andere Formen der Stimmabgabe vorgesehen werden. 4In der Aufforderung muss im Einzelnen angegeben werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Stimmen gezählt werden.

(4) 1Der Abstimmungsleiter stellt die Berechtigung zur Stimmabgabe anhand der eingereichten Nachweise fest und erstellt ein Verzeichnis der stimmberechtigten Gläubiger. 2Wird die Beschlussfähigkeit nicht festgestellt, kann der Abstimmungsleiter eine Gläubigerversammlung einberufen; die Versammlung gilt als zweite Versammlung im Sinne des § 15 Absatz 3 Satz 3. 3Über jeden in der Abstimmung gefassten Beschluss ist eine Niederschrift aufzunehmen; § 16 Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 4Jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen hat, kann binnen eines Jahres nach Ablauf des Abstimmungszeitraums von dem Schuldner eine Abschrift der Niederschrift nebst Anlagen verlangen.

(5) 1Jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen hat, kann gegen das Ergebnis schriftlich Widerspruch erheben binnen zwei Wochen nach Bekanntmachung der Beschlüsse. 2Über den Widerspruch entscheidet der Abstimmungsleiter. 3Hilft er dem Widerspruch ab, hat er das Ergebnis unverzüglich bekannt zu machen; § 17 gilt entsprechend. 4Hilft der Abstimmungsleiter dem Widerspruch nicht ab, hat er dies dem widersprechenden Gläubiger unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

(6) Der Schuldner hat die Kosten einer Abstimmung ohne Versammlung zu tragen und, wenn das Gericht einem Antrag nach § 9 Absatz 2 stattgegeben hat, auch die Kosten des Verfahrens.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 beschließen die Gläubiger entweder in einer Gläubigerversammlung oder im Wege einer Abstimmung ohne Versammlung. Mit der als zweites genannten Alternative befasst sich § 18, indem er in Abweichung von der (normalen) Gläubigerversammlung i. S. d. § 5 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 einzelne Verfahrensregelungen modifiziert. Eine Abstimmung ohne Versammlung war dem SchVG 1899 unbekannt. Auch im Aktienrecht findet sich keine Entsprechung, wenngleich die Abstimmung ohne Versammlung zum Teil Parallelen zu § 118 Abs. 2 AktG aufweist.

 

Rn 2

Die Vorschrift bezweckt den Aufwand, der bei einer Präsenzversammlung sowohl für den einzelnen Gläubiger als auch für den Schuldner entsteht, zu vermeiden bzw. erheblich zu reduzieren.[1] Nach Ansicht des Gesetzgebers könnte sich die Abstimmung ohne Versammlung insbesondere zur frühen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oder zur Vermeidung einer weiteren Versammlung, wenn eine Gläubigerversammlung bereits stattgefunden hat, eignen. Darüber hinaus ist vorstellbar, dass die Gläubiger dann ausschließlich im Verfahren ohne Gläubigerversammlung beschließen, wenn von Gläubigerseite erkennbar kein Informations- oder Diskussionsbedarf besteht, der nur in einer Präsenzversammlung befriedigt werden kann.[2]

 

Rn 3

Kennzeichnend für eine Abstimmung ohne Versammlung ist die Möglichkeit der Gläubiger, Beschlüsse zu fassen, ohne dass an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit eine Versammlung stattfindet. Die Versammlung im Sinn von § 18 ist also eine virtuelle Versammlung,[3] die jedoch nicht auf Diskussion, sondern nur auf Abstimmung ausgelegt ist.[4]

[1] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/12 814, S. 24; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2026.
[2] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/12 814, S. 24.
[3] a. a. O.
[4] Verannemann/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 3 f.

2. Grundsätzlicher Verweis auf Vorschriften über Präsenzgläubigerversammlung

 

Rn 4

Nach Absatz 1 der Vorschrift gelten für die Abstimmung ohne Versammlung die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung entsprechend, soweit nicht etwas anderes in den folgenden Absätzen 2 bis 6 bestimmt ist.[5] Modifizierte Verfahrensregeln gibt es für den Abstimmungsleiter (Abs. 2), die Stimmabgabe (Abs. 3), den Ablauf der Abstimmung (Abs. 4), das Widerspruchsrecht der teilnehmenden Gläubiger (Abs. 5) und die Kostenlast (Abs. 6). Aufgrund der Charakteristika der Versammlung i. S. d. § 18 sind darüber hinaus u. a. nicht anwendbar die Vorschriften über den Ort der Versammlung (§ 11) sowie bestimmte Veröffentlichungspflichten (z. B. Ort und Zeit der Versammlung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1).

Bei anderen für die Präsenzgläubigerversammlung geltenden Verfahrensvorschrif...

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