Rn 30
In der Versammlung aller Insolvenzgläubiger stimmt der gemeinsame Vertreter, wenn er von den Anleihegläubigern bestellt worden ist, für sie ab. Das folgt aus § 19 Abs. 3. Zu den dort erwähnten Rechten zählt auch die Ausübung des Stimmrechts. Der gemeinsame Vertreter stimmt also z.B. über die Wahl des Insolvenzverwalters, die Einsetzung eines Gläubigerausschusses, den Fortgang des Verfahrens, bedeutende Handlung i.S.d. § 160 InsO etc. ab.
Rn 31
Sofern diese Abstimmungen in der Gläubigerversammlung (§ 156 InsO) neben der Stimmen- auch eine Kopfmehrheit erfordern (z.B. § 244 InsO, § 57 InsO, § 271 InsO), übt der gemeinsame Vertreter für jeden von ihm vertretenen Gläubiger ein Stimmrecht aus; er gibt also nicht eine einzige Stimme ab. Seine Stimmrechte hat der gemeinsame Vertreter in diesem Fällen allerdings einheitlich auszuüben. Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, für den gemeinsamen Vertreter sei in der Gläubigerversammlung lediglich eine Kopfstimme pro Anleihe zu berücksichtigen, ist dem nicht zu folgen. Durch die Bestellung des gemeinsamen Vertreters verlieren die Anleihegläubiger nicht ihre jeweilige, d.h. selbstständige Gläubigerstellung, sondern werden nur verfahrensrechtlich zu einer Gläubigergruppe zusammengefasst. Würde man der Gegenansicht folgen, könnten die Schuldverschreibungsgläubiger (nur) über den Verzicht darauf, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, die Mehrheitsverhältnisse in den Abstimmungsterminen steuern bzw. beibehalten. Vor dem Hintergrund, dass es gerade der Wille des Gesetzgebers war, dass die Schuldverschreibungsgläubiger einen gemeinsamen Vertreter bestellen, erscheint es nicht sachgerecht, die Anleihegläubiger auf diesen Weg zu verweisen. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass das zusätzliche Erfordernis der Kopfmehrheit der Durchsetzung der Interessen der Gläubigergesamtheit und damit gleichzeitig auch dem Minderheitenschutz diene. Die Interessen der Gläubigergesamtheit manifestieren sich in den gefassten Beschlüssen, die auf den in der Gläubigerversammlung zustande gekommenen Abstimmungsergebnissen beruhen. Letztlich dürfen die Mehrheitsverhältnisse in der Versammlung nicht davon abhängen, ob die Anleihegläubiger ihre Interessenvertretung allein übernehmen oder durch einen gemeinsamen Vertreter vornehmen lassen.
Rn 32
Durch die Aufspaltung des Abstimmungsverfahrens in zwei Vorgänge (einmal der Abstimmung in der Versammlung der Anleihegläubiger und einmal in die Abstimmung der Versammlung aller Insolvenzgläubiger) kann sich – wie Kuder/Obermüller im Einzelnen anhand verschiedener Beispielsfälle nachgewiesen haben – eine Verfälschung des Ergebnisses ergeben. Das ist jedoch als Konsequenz der Bündelung der Stimmen hinzunehmen. Soweit Kuder/Obermüller demgegenüber meinen, dass der Insolvenzverwalter und die anderen Gläubiger eine andere – diese zwangsläufige – Folge vermeidende Lösung suchen müssten, ist dem schon deshalb nicht zu folgen, weil deren Anregung, den Anleihegläubigern müsste empfohlen werden, keinen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, schon aufgrund der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse nicht umsetzbar ist.