Rn 4
Zur Anfechtung von Beschlüssen der Gläubiger berechtigt die Verletzung eines Gesetzes oder der Anleihebedingungen (§ 20 Abs. 1 Satz 1).
2.1 Grundsätze
Rn 5
Gesetz im Sinn von § 20 ist jede Rechtsnorm. Es gilt der materielle Gesetzesbegriff von Art. 2 EGBGB. Ein Verstoß gegen Soll-Vorschriften begründet in der Regel ebenfalls eine Gesetzesverletzung.
Rn 6
Ein Verstoß gegen die Anleihebedingungen stellt grundsätzlich ebenfalls einen Anfechtungsgrund dar. Eine Ausnahme ist – vergleichbar wie bei § 243 AktG im Falle von Satzungsverstößen – nur bei in Gänze bedeutungslosen Verstößen gegen die Anleihebedingungen zu machen.
2.2 Einzelfälle
Rn 7
Mögliche Anwendungsbereiche für Gesetzesverletzungen bzw. Verletzungen der Anleihebedingungen sind vielschichtig. Es kommen sowohl Verstöße gegen verfahrensrechtliche als auch gegen materiellrechtliche Vorgaben in Betracht. Insoweit kann auf die zu § 243 AktG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Ein Verstoß gegen das Gesetz oder die Anleihebedingungen ist z. B. anzunehmen bei Verstößen gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Gläubiger, gegen Regelungen zur Vorbereitung und Durchführung der Gläubigerversammlung, gegen Informations- und Veröffentlichungspflichten etc. Aber auch wenn der von den Gläubigern gefasste Beschluss inhaltlich zu beanstanden ist, also etwa gegen Gesetze verstößt (sog. Inhaltsfehler), ist ein Anfechtungsgrund gegeben.
2.3 Insbesondere: Informationsmängel
Rn 8
Ein Beschluss der Gläubiger kann wegen unzureichender Informationserteilung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Gläubiger die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für sein Abstimmungsverhalten angesehen hätte. Mit dieser Bestimmung wird an die Parallelvorschrift § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG angeknüpft, so dass an dieser Stelle auf die einschlägigen Kommentierungen zu dieser Norm verwiesen werden kann.
2.4 Insbesondere: Technische Störungen
Rn 9
Die Anfechtungsklage kann auch nicht auf die durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, die nach § 18 auf elektronischem Wege wahrgenommen worden sind, gestützt werden, es sei denn, dem Schuldner ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen (§ 20 Abs. 1 Satz 3). Die Norm findet eine Parallele in § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG.
2.5 Kausalitätserfordernis bei Verfahrensfehlern?
Rn 10
Nach dem Wortlaut von § 20 stellt jeder Verfahrensfehler einen Anfechtungsgrund dar. Ein derartiges Verständnis der Norm ginge jedoch zu weit. Die Vorschrift ist daher in jedem Falle dahingehend einschränkend auszulegen, dass Verfahrensfehler, die sich nicht auf das Ergebnis der Beschlussfassung auswirken, unberücksichtigt zu bleiben haben. Darüber hinaus ist bei Verfahrensfehlern eine am Zweck der jeweiligen Norm orientierte wertende Betrachtung des Gesetzesverstoßes entsprechend der zu § 243 AktG entwickelten und heute der dortigen herrschenden Meinung entsprechenden Relevanztheorie geboten.