Rn 3
Von der Versammlung der Anleihegläubiger gefasste Beschlüsse, die die Anleihebedingungen ändern oder ergänzen, bedürfen, um wirksam zu werden, der Vollziehung in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen (§ 2 Satz 3 i. V. m. § 4 Satz 1). Dies ist Konsequenz des für die Schuldverschreibungen geltenden Skripturprinzips. Erst nach der Vollziehung der Beschlüsse gem. § 21 Abs. 1 darf deren tatsächliche Umsetzung erfolgen.
2.1 Änderung/Ergänzung der Anleihebedingungen
Rn 4
Bei Änderungen/Ergänzungen der Anleihebedingungen werden die Beschlüsse der Gläubigerversammlung dergestalt vollzogen, dass die maßgebliche Sammelurkunde ergänzt oder geändert wird (§ 21 Abs. 1 Satz 1). Existiert keine Sammelurkunde bedarf es für eine Änderung der Anleihebedingungen einer Änderung/Ergänzung einer jeden Einzelurkunde. Wird die Sammelurkunde durch eine Wertpapiersammelbank verwahrt (§ 9 a DepotG), hat der Versammlungs- oder Abstimmungsleiter den in der Niederschrift dokumentierten Beschlussinhalt an die Bank mit dem Ersuchen zu übermitteln, die eingereichten Dokumente den vorhandenen Dokumenten in geeigneter Form beizufügen (§ 21 Abs. 1 Satz 2). Hierbei handelt es sich aus Sicht der Praxis um eine wesentliche Erleichterung, da ohne diese Regelung die alte gegen die neue Sammelurkunde ausgetauscht werden müsste. Im Rahmen der Übermittlung des Beschlussinhalts hat der Versammlungs- bzw. Abstimmungsleiter gegenüber der Wertpapiersammelbank – üblicherweise schriftlich – zu versichern, dass der Beschluss vollzogen werden darf (§ 21 Abs. 1 Satz 3). Eine Vollziehung des Beschlusses ist zulässig, wenn die Klagefrist von einem Monat verstrichen ist, ohne dass Anfechtungsklage erhoben wurde, wenn die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen wurde oder wenn das Gericht die Freigabe der Vollziehung eröffnet hat. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsprozess anders als durch Abweisung der Klage beendet wurde (z. B. durch Klagerücknahme).
2.2 Bestellung eines gemeinsamen Vertreters
Rn 5
Der Regelung in § 21 Abs. 2 bedarf es, weil die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters regelmäßig nicht zu einer Änderung/Ergänzung der Anleihebedingungen führt. Angesichts dessen kann ein solcher Beschluss der Gläubigerversammlung nicht nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 durch Beifügung der Dokumente zur Sammelurkunde vollzogen werden. Vor diesem Hintergrund ordnet die der Rechtssicherheit der beteiligten Verkehrskreise über die bestehende Vertretungsmacht des gemeinsamen Vertreters dienende Norm des § 21 Abs. 2 an, dass der gemeinsame Vertreter von der ihm durch den Beschluss erteilten Vollmacht oder Ermächtigung keinen Gebrauch machen darf, solange der zugrundeliegende Beschluss noch nicht vollzogen werden darf (z. B. weil gegen den Beschluss eine Anfechtungsklage erhoben wurde). Es gelten insoweit also wiederum die Grundsätze zur Änderung der Anleihebedingungen. Vor Ablauf der Klagefrist, der Abweisung der Anfechtungsklage etc. soll der gemeinsame Vertreter von seiner Vollmacht keinen Gebrauch machen.
2.3 "Räuberischer Schuldverschreibungsgläubiger"
Rn 6
Im Schrifttum wird verschiedentlich davor gewarnt, dass sich als Parallele zu den aus dem Aktienrecht bekannten "räuberischen Aktionären" sog. "räuberische Gläubiger" herausbilden werden, die den durch die Erhebung von Anfechtungsklagen unter Umständen gerade in Sanierungsphasen entstehenden Zeitdruck für "Erpressungen" der Emittenten ausnutzen wollen. In der Tat steht zu erwarten, dass sich derartige Gläubiger finden werden. Hieran wird auch das entsprechend § 246 a AktG eingeführte Freigabeverfahren kaum etwas ändern.