Rn 2
Das am 04.08.2009 verkündete SchVG ist am Folgetag in Kraft getreten. Gleichzeitig trat das SchVG 1899 außer Kraft. Aus diesem Grunde bestimmt § 24 Abs. 1 Satz 1, dass das Gesetz nicht auf Schuldverschreibungen anzuwenden ist, die vor dem Tag des Inkrafttretens (05.08.2009) ausgegeben wurden. Auf derartige Schuldverschreibungen ist nach § 24 Abs. 1 Satz 2 vielmehr weiterhin das SchVG 1899 anzuwenden, soweit sich nicht aus § 24 Abs. 2 etwas anderes ergibt. Unter dem für die Abgrenzung maßgeblichen Begriff der "Ausgabe" der Schuldverschreibung ist die Begebung des Papiers im wertpapierrechtlichen Sinne, also der Zeitpunkt der Entstehung der in der Schuldverschreibung verbrieften Forderung zu verstehen.
Rn 3
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 haben die Gläubiger von (weiterhin) unter das SchVG 1899 fallenden Schuldverschreibungen eine Optionsmöglichkeit. Sie können mit Zustimmung des Schuldners eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen beschließen, um so von den durch das Gesetz gewährten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen zu können. Für den Opt-in-Beschluss genügt ein Beschluss des Inhalts, dass das neue Recht insgesamt gelten soll. Der Schuldner ist grundsätzlich nicht zur Zustimmung verpflichtet; nur ausnahmsweise wird man eine Zustimmungspflicht aufgrund von Treu und Glauben annehmen können. Es war zunächst umstritten, ob ein Opt-in-Beschluss auch noch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anleiheschuldners durch die Gläubiger gefasst werden kann. Der BGH hat diese Frage mittlerweile unter der Voraussetzung bejaht, dass der Grundlagenbeschluss im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter, der die Rechte des Schuldners nach Verfahrenseröffnung wahrnimmt, ergeht. Nach Insolvenzeröffnung eingreifende Beschränkungen in der Beschlussfassung über die Anleihebedingungen betreffen allenfalls § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG, nicht hingegen § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG. Für die Beschlussfassung selbst gelten gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 SchVG die Vorschriften des neuen Rechts. Die Anwendbarkeit des Neurechts kann auf zwei Wegen herbeigeführt werden: die Gläubiger können zum einen eine Änderung der Anleihebedingungen beschließen oder aber zum anderen einen Beschluss über den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen fassen. Sofern sie von der ersteren Möglichkeit Gebrauch machen, können sie wiederum entweder einen isolierten Opt-in-Beschluss fassen, durch den das neue Recht in seiner Gesamtheit auf die inhaltlich unveränderte Anleihe für anwendbar erklärt wird, oder aber einen Grundlagenbeschluss herbeiführen, um die Geltung des Neurechts in seiner Gesamtheit anzuordnen, und in Ausführung dieses Beschlusses durch einen weiteren Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oder eine Änderung der konkreten Anleihebedingungen befinden. Beide Beschlüsse können in einem einheitlichen Abstimmungsverfahren ergehen.
Die Optionsmöglichkeit sollte darüber hinaus nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt/M. nur bei solchen Schuldverschreibungen eröffnet sein, die bereits zuvor nach dem SchVG 1899 einem Mehrheitsentscheid der Gläubigergemeinschaft zugänglich waren. Das hätte im Ergebnis bedeutet, dass ein Opt-in-Beschluss für "formal ausländische Anleihen", d.h. für Altschuldverschreibungen, die z.B. nach deutschem Recht begeben wurden, bei denen jedoch der Emittent seinen Sitz im Ausland hat, nicht hätte gefasst werden können. Diese Auffassung ist im Schrifttum zu Recht heftig kritisiert worden, da sie weder im Wortlaut, der in § 24 Abs. 2 Satz 1 keine Beschränkung auf nur inländische Emittenten enthält, noch in der Systematik der Norm (§ 24 Abs. 2 Satz 1 ist keine Ausnahme zu § 24 Abs. 1 Satz 2, sondern zu § 24 Abs. 1 insgesamt) eine Stütze fand. Der BGH hat durch Urteil vom 01.07.2014 der Auffassung des OLG Frankfurt/M. deshalb zu Recht widersprochen und § 24 Abs. 2 auch auf nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (§ 1 Abs. 1) für anwendbar erklärt, auch wenn sie nicht dem SchVG 1899 unterfielen. Nur ein solches Verständnis entspricht nach Ansicht des BGH der vom Gesetzgeber beabsichtigten weiten Geltung der neuen Vorschriften. § 24 Abs. 2 enthält demnach eine eigenständige Regelung für alle Schuldverschreibungen i.S.v. § 1 Abs. 1. Er bezieht sich also nicht nur auf solche Schuldverschreibungen, die § 24 Abs. 1 Satz 1 unterfallen. Deshalb können nach § 24 Abs. 2 auch die Anleihebedingungen für Altschuldverschreibungen, die vor dem 05.08.2009 begeben wurden, geändert werden, bei denen in den Anleihebedingungen keine Mehrheitsentscheidung vorgesehen war oder bei denen, wie nach SchVG 1899, eine Mehrheitsentscheidung nur sehr eingeschränkt möglich war. In § 24 Abs. 2 sieht der BGH gleichwohl keinen unzulässigen rückwirkenden Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger.
Rn 4
Die Beschlussfassung,...