Gesetzestext
Nach den Anleihebedingungen muss die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist, ermittelt werden können.
1. Allgemeines
Rn 1
Die Vorschrift beinhaltet ein dem Gläubigerschutz dienendes Transparenzgebot. Ein solches gesetzlich normiertes Gebot war dem SchVG 1899 unbekannt. Seine Aufnahme stellt zugleich eine Folge der Finanzmarktkrise 2008 dar, die u. a. auf die Intransparenz einer Vielzahl hochkomplexer Finanzprodukte (der Gesetzgeber erwähnt explizit Kettenverbriefungen und Basket-Zertifikate) zurückzuführen ist.
2. Verhältnis von § 3 SchVG zu § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
Rn 2
Das BGB kennt in den Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls ein Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das dortige Transparenzgebot wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform gesetzlich verankert, nachdem es bereits zuvor von der Rechtsprechung entwickelt worden war. Es sieht vor, dass sich eine unangemessene Benachteiligung des Kunden auch daraus ergeben kann, dass eine AGB-Klausel nicht klar und verständlich ist. Im Verhältnis zu § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt § 3 in seinem Anwendungsbereich die speziellere Norm dar. Sie hat also, soweit das Transparenzgebot in Rede steht, gegenüber § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verdrängenden Charakter.
Rn 3
Fraglich ist jedoch, ob sich die Anleihebedingungen generell an den Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen müssen. Der BGH hat zuletzt mehrfach entschieden, dass es sich bei Anleihebedingungen um AGB handelt. Insofern ist die noch in der Begründung des Regierungsentwurfs enthaltene Feststellung, die Frage, ob Anleihebedingungen als AGB anzusehen seien und einer richterlichen Inhaltskontrolle unterlägen, sei umstritten, wohl überholt. Als Folge der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ist zu konstatieren, dass die Anleihebedingungen grundsätzlich dem AGB-Recht unterliegen. Das gilt jedoch nur insoweit, als einzelne Klauseln von der gesetzlichen Regelung abweichen. Sofern sie dieser entsprechen, sind sie der Inhaltskontrolle entzogen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Wenn also die Anleihebedingungen mit den – teilweise disponiblen – Regelungen der §§ 5 ff. konform gehen, sind sie ohne weiteres zulässig und nicht mehr am AGB-Recht zu messen. Sofern jedoch die Anleihebedingungen von den §§ 5 ff. abweichen bzw. zusätzliche in den §§ 5 ff. nicht enthaltene Regelungen aufweisen, bleiben sie der Inhaltskontrolle unterworfen. Es ist dann in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Klauseln der Inhaltskontrolle des § 307 BGB standhalten. Nicht zu beanstanden ist daher z.B. eine Nachrangvereinbarung in Genussrechten.
Rn 3a
Soweit das SchVG auf bestimmte Anleihen nicht anwendbar ist (vgl. § 1 Abs. 2: Schuldverschreibungen der deutschen öffentlichen Hand, Pfandbriefe etc.), gilt für sie auch § 3 nicht – mit der Konsequenz, dass die teils strengeren Regelungen des AGB-Rechts zur Anwendung gelangen. Das überzeugt nicht, da hiermit i.E. für deutsche öffentliche Schuldverschreibungen strengere Maßstäbe als für Schuldverschreibungen von Drittstaaten gelten.
3. Inhalt des Transparenzgebots
Rn 4
§ 3 verlangt, dass die vom Emittenten versprochene Leistung durch den Anleger ermittelt werden kann. Das Leistungsversprechen muss sich gerade aus den Anleihebedingungen (einschließlich den nach § 2 Satz 2 einbezogenen Urkunden) ergeben sowie klar und eindeutig sein. Insofern unterscheiden sich die Transparenzgebote von § 3 und § 307 BGB, da das AGB-Recht keine Inhaltskontrolle der Leistungsbeschreibung kennt.
Rn 5
Abzustellen ist bei der Transparenzkontrolle auf den für die konkrete Anleihe sachkundigen Anleger. Die Vorgabe eines derartigen Empfängerhorizonts ist neu und unterscheidet sich insbesondere vom AGB-Recht, wo auf die Verkehrsanschauung der beteiligten Verkehrskreise rekurriert wird. Beim sachkundigen Anleger handelt es sich um eine besser als der durchschnittliche Verbraucher, ja sogar besser als der durchschnittliche Anleger informierte Person. Das bedeutet im Ergebnis, dass auch s...