Rn 4
Ausnahmsweise sind der Schuldner oder der gemeinsame Vertreter jedoch auch dann aus Gründen des Minderheitenschutzes zur Einberufung der Gläubigerversammlung verpflichtet, wenn das erstens Gläubiger verlangen, die mindestens 5 % der ausstehenden Schuldverschreibungen halten, und wenn sie zweitens schriftlich einen besonderen Grund vortragen, der in der Bestellung oder Abberufung eines gemeinsamen Vertreters, in der beabsichtigten Herbeiführung eines Beschlusses i. S. v. § 5 Abs. 5 Satz 2 (Entfallen der Wirkung einer oder mehrerer Kündigungen) oder in einem sonstigen besonderen Interesse an der Einberufung der Versammlung liegen kann (§ 9 Abs. 1 Satz 2). In den Anleihebedingungen kann darüber hinaus vorgesehen werden, dass die Gläubiger auch aus sonstigen Gründen die Einberufung der Versammlung verlangen können (§ 9 Abs. 1 Satz 3). Die Insolvenz des Schuldners steht der Einberufung einer weiteren Versammlung durch den Minderheitsgläubiger nicht zwingend entgegen.
Rn 5
Die Einberufung muss immer schriftlich verlangt werden. In den Anleihebedingungen kann insoweit wegen des zwingenden Charakters von § 9 – so die Norm denn zur Anwendung kommt – keine Erleichterung vorgesehen werden. Das Vorliegen der Schriftform ist nach § 126 BGB zu bestimmen, weshalb auch die elektronische Form genügt (§ 126 Abs. 3 BGB).
Rn 6
Den Antrag der Gläubiger müssen mindestens so viele Anleihegläubiger unterzeichnen, dass das Mindestquorum des § 9 Abs. 1 Satz 2 erreicht wird. Ist das zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Verlangens der Einberufung der Gläubigerversammlung noch nicht der Fall, wird jedoch während des gerichtlichen Verfahrens der notwendige Anteil von 5 % der ausstehenden Schuldverschreibungen erreicht, genügt das für einen Minderheitenantrag jedenfalls dann, wenn der Schuldner ausdrücklich erklärt, grundsätzlich nicht bereit zu sein, dem Einberufungsverlangen Folge zu leisten. Ohne eine derartige Erklärung genügt ein Erreichen des Quorums erst nach Zugang des Einberufungsverlangens regelmäßig nicht zur Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens. Es bedarf stattdessen eines erneuten außergerichtlichen Einberufungsverlangens.
In dem Antrag muss das besondere Interesse an der Einberufung der Gläubigerversammlung dargetan werden, wobei das jedenfalls durch Mitteilung einer förmlichen Tagesordnung geschehen kann. Es genügt aber auch, wenn die Beschlussgegenstände kundgetan werden.
Rn 7
Das Einberufungsverlangen der Gläubiger kann an den gemeinsamen Vertreter oder den Emittenten gerichtet werden. Der Empfänger des Antrags ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zum Einberufen der Gläubigerversammlung verpflichtet. Verfügt der Schuldner über keinen Geschäftsleiter (Vorstand) mehr, z. B. weil dieser sein Amt niedergelegt hat, kann der Antrag nicht an den Aufsichtsrat gerichtet werden. Stattdessen ist die Bestellung eines Notvorstandes zu beantragen. Allerdings wird sich in diesen Fällen ohnehin empfehlen, das Einberufungsverlangen an den gemeinsamen Vertreter der Gläubiger zu senden.
Rn 8
Der Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung darf nicht rechtsmissbräuchlich sein. Hiervon ist jedoch nur im Ausnahmefall auszugehen. Der Antrag ist nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil ihm aufgrund der Mehrheitsverhältnisse voraussichtlich kein Erfolg beschieden sein wird; andernfalls würde der Minderheitenschutz konterkariert. Demgegenüber kann einem Antrag der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen, wenn das besondere Interesse, das als Einberufungsgrund angeführt wird, gerade erst Gegenstand eines Beschlusses der Gläubigerversammlung war und keine Anhaltspunkte für geänderte Mehrheitsverhältnisse in der Versammlung ersichtlich sind. Die Einberufung einer (echten) zweiten Gläubigerversammlung mit dem Ziel, für die Vertretung im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, ist auch bei einem gescheiterten ersten Versuch nicht rechtsmissbräuchlich, solange die Einigung auf einen Gläubigervertreter nicht ausgeschlossen erscheint. Auch die neuerliche Kostentragungspflicht des Schuldners nach § 9 Abs. 4 rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Rn 9
Über den Gläubigerantrag haben der gemeinsame Vertreter bzw. der Emittent unverzüglich (§ 121 BGB) zu entscheiden. Auch muss die einzuberufende Gläubigerversammlung denjenigen Tagesordnungspunkt aufweisen, der Grundlage des Einberufungsverlangens der Gläubiger ist. Ergänzungen der Tagesordnung sind jedoch möglich.