Veränderungen des Geländeniveaus durch Bodenerhöhungen und Grundstücksvertiefungen bedeuten für angrenzende Nachbargrundstücke eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle. Immerhin können bei Bodenerhöhungen Erd- und Sandmassen abhängig von dem gewählten Böschungswinkel über die Grundstücksgrenze auf Nachbargrundstücke abrutschen oder etwa bei Regen abgeschwemmt werden. Grenznahe Grundstücksvertiefungen können bei unsachgemäßer Ausführung sogar den Einsturz von Nachbargebäuden bewirken.
Gefahrdrohende Anlage (§ 907 BGB)?
Trotz des den Veränderungen des Geländeniveaus innewohnenden Gefährdungspotenzials ist in den allermeisten Fällen bei Beginn von Erdarbeiten nicht "mit einer der Gewissheit gleichkommenden Wahrscheinlichkeit" vorauszusehen, dass Bodenerhöhungen oder Grundstücksvertiefungen unzulässige Einwirkungen auf Nachbargrundstücke zur Folge haben, wie das § 907 Abs. 1 BGB verlangt. Deshalb kommt der in dieser Vorschrift geregelte vorbeugende Unterlassungsanspruch in den meisten Fällen nicht zur Anwendung.
Drohender Gebäudeeinsturz (§ 908 BGB)?
§ 908 BGB kommt bei Bodenerhöhungen allenfalls begrenzt vorbeugend zur Anwendung. Denn zum einen erfasst diese Vorschrift nur räumlich abgegrenzte Bodenerhöhungen wie Dämme oder Erdwälle, nicht dagegen flächenhafte Bodenerhöhungen. Zum anderen greift der vorbeugende Schutz des § 908 BGB erst dann, wenn die Gefahr besteht, dass sich etwa von einem Damm Bestandteile abzulösen beginnen, nicht dagegen schon zum Zeitpunkt seiner Herstellung, wenn diese Gefahr noch nicht besteht.
Schutzgesetze
Der Gesetzgeber musste demzufolge zusätzliche Vorschriften schaffen, um einen vorbeugenden Schutz für Nachbargrundstücke zu gewährleisten. Bei Grundstücksvertiefungen ist dies mit § 909 BGB geschehen. Für Bodenerhöhungen fehlt eine entsprechende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Für diese ist § 909 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch nicht entsprechend anwendbar. Die Regelung vorbeugender Schutzmaßnahmen zu Gunsten von Nachbargrundstücken bei Bodenerhöhungen ist deshalb Aufgabe der Landesgesetzgebung. Vorschriften hierzu finden sich – soweit Regelungen getroffen wurden – in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer.
Sowohl § 909 BGB für Grundstücksvertiefungen als auch die landesrechtlichen Vorschriften über Bodenerhöhungen sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Hat daher ein Grundstückseigentümer sein Grundstück erhöht oder vertieft, ohne die zum Ausschluss einer Schädigung notwendigen Vorsorgemaßnahmen getroffen zu haben, ist er bei Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) im Schadensfall nach § 823 Abs. 2 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
Daneben kommt ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) in Betracht, sofern der Schaden aus besonderen Gründen tatsächlich oder rechtlich nicht abwehrbar war, weil es der geschädigte Nachbar etwa mangels Kenntnis von der schadensstiftenden Wirkung einer Erddeponie versäumt hat, seinen Anspruch auf Unterlassung ihrer Herstellung rechtzeitig geltend zu machen.
Anzeige bei Baubehörde
Bodenerhöhungen und Grundstücksvertiefungen (im Baurecht als Aufschüttungen und Abgrabungen bezeichnet) unterliegen ab einer bestimmten Größenordnung dem Baurecht. In Bayern gilt das für sog. Aufschüttungen und Abgrabungen mit einer Grundfläche von mehr als 500 m und einer Höhe bzw. Tiefe von über 2 m. In den anderen Bundesländern bestehen vergleichbare Regelungen. Wenn Sie Anlass zur Sorge haben, dass bei Bodenerhöhungen oder Grundstücksvertiefungen ab dieser Größenordnung erforderliche Schutzvorkehrungen unterlassen wurden, hilft Ihnen eine Anzeige bei der Baubehörde meist schneller, als ein langwieriger Zivilprozess es vermag.