Rz. 91

Pflichtteilsberechtigte Personen sind grundsätzlich diejenigen Personen, die im konkreten Fall die gesetzlichen Erben wären, wenn es kein Testament gäbe, Art. 28 Abs. 3 ErbG FBuH, Art. 29 Abs. 3 ErbG RS, Art. 32 Abs. 3 ErbG BD BuH. Bei der Ermittlung der Pflichtteilsberechtigten im konkreten Fall sollten als erstes die vermeintlichen gesetzlichen Erben festgestellt werden. Dieser Schritt ist auch notwendig, weil sich auch die Höhe des Pflichtteils aufgrund der Höhe des vermeintlichen gesetzlichen Teils errechnet. Die Pflichtteilsberechtigten sind in zwei Pflichtordnungen aufgeteilt, die sich stark an den zwei ersten gesetzlichen Erbordnungen anlehnen, aber sich auch von diesen unterscheiden.

 

Rz. 92

Die erste Pflichtordnung ist mit der ersten gesetzlichen Ordnung identisch, so dass Pflichtteilsberechtigte im Rahmen dieser Gruppe, der überlebende Ehegatte, leibliche Kinder des Erblassers und alle ihre Abkömmlinge, volladoptierte Kinder und alle ihre Abkömmlinge, Kinder aus nicht vollständiger Adoption und alle ihre Abkömmlinge, sind. So gesehen deckt sich der Kreis der gesetzlichen und der Pflichteilserben. Eine bedeutende Einschränkung gibt es aber insofern, als nicht alle Angehörigen dieser Gruppe unter gleichen Bedingungen das Recht auf den Pflichtteil haben. Dem Ehegatten, leiblichen Kindern und volladoptierten Kindern steht der Pflichtteil ohne Erfüllung zusätzlicher Bedingungen zu (absolute Pflichtteilsberechtigte). Allen anderen steht der Pflichtteil nur zu, wenn sie dauerhaft erwerbsunfähig und bedürftig sind (relative Pflichtteilsberechtigte), Art. 28 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 29 Abs. 2 ErbG RS Art. 32 Abs. 2 ErbG BD BuH.[76]

 

Rz. 93

Die zweite Pflichtordnung ist enger als die zweite gesetzliche Erbordnung. Dazu gehören nur der Ehegatte, falls er der alleinige Erbe innerhalb der ersten Ordnung geblieben ist, die Eltern des Erblassers und deren Kinder bzw. Geschwister des Erblassers. Der Ehegatte ist auch hier absoluter Pflichtteilsberechtigter; dagegen steht der Pflichtteil den Eltern und den Brüdern und Schwestern des Erblassers nur zu, wenn sie dauerhaft erwerbsunfähig und bedürftig sind, Art. 28 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 29 Abs. 2 ErbG RS, Art. 32 Abs. 2 ErbG BD BuH. Die Kinder oder weitere Abkömmlinge der Geschwister des Erblassers sind unter keiner Bedingung Pflichtteilsberechtigte.

[76] In der Republik Srpska, wie früher in der Sozialistischen Republik BuH, ist die gesetzliche Bestimmung über die Aufzählung der Pflichterben unglücklich konstruiert. Die Lehre war bereits damals einstimmig, dass diese Bestimmung trotz fehlerhafter Redaktion auf die oben erwähnte Art und Weise auszulegen ist. Siehe Blagojević, S. 215; Bago/Traljić/Petrović/Povlakić, S. 60. In der Föderation BuH und im Brčko Distrikt BuH wurde dieser redaktionelle Fehler korrigiert.

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