Rz. 103

Obwohl der Pflichtteil eine imperative Nachfolge darstellt, kann der Erblasser aus den gesetzlich vorgeschriebenen Gründen einen Pflichtteilsberechtigten enterben und von der Erbschaft ausschließen. Die Enterbung stellt eine zivilrechtliche Strafe dar. Im Unterschied zur Erbunwürdigkeit achtet das Gericht nicht von Amts wegen auf die Enterbungsgründe und die Enterbung tritt nicht ex lege, sondern nur dann ein, wenn eine entsprechende testamentarische Bestimmung vorliegt.

 

Rz. 104

Die Enterbungsgründe sind in drei Teilen Bosnien und Herzegowinas teilweise unterschiedlich; sie wurden im neuen Erbrecht neu aufbereitet im Unterschied zum Recht der ehemaligen Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina. Der Enterbungsgrund, der sich gegen denjenigen richtete, der eine Straftat gegen die Volksherrschaft, Unabhängigkeit des Landes, seine Verteidigung oder den sozialistischen Aufbau verübt hatte, ist entfallen. Dieser Enterbungsgrund ist seit dem Ende der Neunziger Jahre nicht mehr aktuell, weswegen er im neuen Erbrecht weggelassen (Republik Srpska, Brčko Distrik BuH) bzw. umformuliert (Föderation BuH) wurde. In der Föderation BuH kommt noch ein Enterbungsgrund hinzu: eine Straftat gegen die Integrität von BuH, gegen die Menschlichkeit und die durch internationales Recht geschützten Werte, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 ErbG FBuH.

 

Rz. 105

In der Föderation BuH und Brčko Distrikt BuH kann der Pflichtteilserbe enterbt werden, wenn er eine gesetzliche oder moralische Pflicht, welche auf dem familienrechtlichen Verhältnis zu dem Erblasser beruht, schwerwiegend verletzt hat, oder wenn er vorsätzlich eine schwerwiegende Straftat gegenüber dem Erblasser (ausgeschlossen ist aber Mord an dem Erblasser, da Erbunwürdigkeitsgrund), seinen Ehegatten oder seinen Kindern oder Eltern begangen hat, wenn er ein unwürdiges Leben führt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 ErbG FBuH, Art. 49 Abs. 1 ErbG BD BuH. In der Republik Srpska wurden alle zugelassenen Enterbungsgründe als ein einheitlicher rechtlicher Standard formuliert: das grobe Handeln gegenüber dem Erblasser durch die Verletzung einer gesetzlichen oder moralischen Pflicht, Art. 46 ErbG RS.

 

Rz. 106

Die Enterbung wirkt nur persönlich gegenüber dem jeweiligen Pflichtteilsberechtigten. Bei der Aufteilung der Erbschaft wird angenommen, dass er vor dem Erblasser verstorben wäre, Art. 47 ErbG FBuH, Art. 48 Art. ErbG RS, Art. 51 Abs. 1 ErbG BD BuH. Der Pflichtteilsberechtigte kann zur Gänze oder nur teilweise enterbt werden. In der Föderation BuH ist eine ausdrückliche Enterbung mit der Benennung der Enterbungsgründe zwingend, Art. 46 ErbG FBuH; im Brčko Distrikt BuH und der Republik Srpska ist es nicht erforderlich, dass die Gründe ausdrücklich benannt werden, aber empfehlenswert, da die Beweislast bei demjenigen liegt, der sich auf die Enterbung beruft (z.B. testamentarischer Erbe), Art. 50 Abs. 1 ErbG BD BuH, Art. 47 ErbG RS.

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