Prof. em. Dr. Suzana Bubic, Dr. Stefan Pürner
Rz. 61
Kinderlose Ehegatten können einen Antrag auf Scheidung durch streitiges Urteil oder auf einvernehmliche Scheidung stellen (Art. 42). Auf diese Verfahren finden die im 7. Teil (Art. 268–379 FamG) enthaltenen Vorschriften über das Gerichtsverfahren in Familiensachen Anwendung. Soweit durch diese Vorschrift nicht etwas anderes bestimmt ist, finden darüber hinaus die Vorschriften des Gesetzes über das zivilrechtliche Erkenntnisverfahren des FGG und des Vollstreckungsgesetzes Anwendung (Art. 268 Abs. 2). Über die Ehescheidung entscheidet das Amtsgericht, wobei es keine gesonderten Abteilungen für Familiensachen gibt (Art. 275). Wird das Verfahren durch Klage nur eines Ehegatten eingeleitet, so hat dieser in seiner Klage die anspruchsbegründenden Tatsachen und die zu deren Feststellung geeigneten Beweise anzugeben. Das Gericht muss dann zu der Überzeugung gelangen, dass eine schwere und dauernde Zerrüttung der ehelichen Verhältnisse vorliegt, um die Ehe zu scheiden.
Rz. 62
Örtlich zuständig ist nach Wahl des Klägers das Gericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, oder das Gericht des Bezirks, in dem der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Anders als in Deutschland besteht in Familiensachen kein Anwaltszwang.
Rz. 63
Das Verfahren ist als eilbedürftiges Verfahren ausgestaltet. Insbesondere ist das Gericht verpflichtet, die Hauptverhandlung innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Eingang des Scheidungsantrags durchzuführen und das Urteil innerhalb einer weiteren Frist von ebenfalls 15 Tagen ab dem Schluss der Hauptverhandlung zu erlassen und abzusetzen (Art. 273 Abs. 2 und 3). Diese Fristen sind gerade einmal halb so lang wie die entsprechenden Fristen für normale Zivilverfahren. Praktisch betrachtet mögen diese Fristen unrealistisch sein. Sie sind jedoch im Einklang mit der allgemein zu beobachtenden Tendenz, die Richter in BiH durch enge Fristen zur Verfahrensbeschleunigung zu zwingen.
Rz. 64
Eheverfahren sind, ebenso wie Verfahren zwischen Eltern und Kindern, nichtöffentlich (Art. 277). Wenn der beklagte Ehegatte spätestens bis zum Schluss der Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt, dass er die Begründetheit des Klageantrags nicht bestreitet, wird das Verfahren als einvernehmliche Scheidung durchgeführt. In allen anderen Fällen wird das streitige Scheidungsverfahren durchgeführt.
Rz. 65
Im Scheidungsverfahren hat das Gericht von Amts wegen über alle Fragen bezüglich der minderjährigen Kinder der Ehegatten zu entscheiden (Art. 304). Hinsichtlich sonstiger Scheidungsfolgen, wie z.B. Unterhaltsfragen, kann das Gericht nur auf entsprechenden Antrag hin entscheiden (Art. 205 Abs. 1). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Unterhalt grundsätzlich im Scheidungsverfahren zu stellen und nach Rechtskraft des Scheidungsurteils nur noch ausnahmsweise zulässig ist (Art. 225 Abs. 2). Über die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens (falls kein Ehevertrag abgeschlossen wurde) kann nicht im Scheidungsverfahren entschieden werden. Hierfür ist ein eigenes Verfahren, nach den Regeln des allgemeinen Erkenntnisverfahrens durchzuführen. Aus diesem Grund greift hier Art. 55 Abs. 2, der die Geltendmachung mehrerer Ansprüche in derselben Klage nur insoweit zulässt, als für alle Ansprüche dieselbe Verfahrensart vorgesehen ist, nicht.
Rz. 66
Aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtes von BiH wurde Art. 43 aufgehoben, der vorsah, dass ein Ehemann während der Schwangerschaft der Frau und bis zum Ende des dritten Lebensjahres die Scheidung nicht beantragen kann. Begründet wurde dies mit dem Schutz von Mutter und Kind. Das Verfassungsgericht sah hierin jedoch eine unzulässige geschlechtsspezifische Diskriminierung, da der Schutz von Mutter und Kind auch auf andere Weise gewährleistet werden kann.
Rz. 67
Im Falle einer Scheidung auf Antrag nur eines Ehegatten trägt derjenige Ehegatte, der das Verfahren verliert, die Verfahrenskosten allein (Art. 386 Abs. 1 ZPO).