Prof. em. Dr. Suzana Bubic, Dr. Stefan Pürner
1. Materielle Voraussetzungen
a) Obligatorische Zivilehe
Rz. 112
Das FamG RS normiert – wie das FamG FBiH – die obligatorische Zivilehe, enthält aber keine Regelungen über die Eheschließung in religiöser Form. Die Möglichkeit, nach Eingehung einer Zivilehe auch in religiöser Form zu heiraten, ist jedoch in den gesetzlichen Vorschriften über die rechtliche Situation der Glaubensgemeinschaften vorgesehen. Im Unterschied zum FamG FBiH wurde im FamG RS die frühere Lösung des FamG BiH über die sachliche Zuständigkeit beibehalten. Dies bedeutet, dass die Ehe vor dem gemeindlichen Verwaltungsorgan geschlossen wird (Art. 14). Funktionell zuständig ist der Bürgermeister oder ein hierzu delegiertes Ausschussmitglied. Bei der Eheschließung muss auch der Standesbeamte anwesend sein (Art. 20).
b) Verlöbnis
Rz. 113
Auch in der RS wird das Verlöbnis nicht normiert.
c) Persönliche Voraussetzungen
aa) Zwei Personen verschiedenen Geschlechts
Rz. 114
Die diesbezügliche Regelung des Art. 14 entspricht der Rechtslage in der FBiH (siehe Rdn 7).
bb) Ehefähigkeit
Rz. 115
Die diesbezügliche Regelung entspricht weitgehend derjenigen in der FBiH. Im Unterschied dazu wird jedoch für die Erteilung der Zustimmung zur Ehe eines Minderjährigen nicht gefordert, dass die Ehe "im Interesse des Minderjährigen" liegt (Art. 36). Auch die Regelungen über die psychischen Voraussetzungen der Ehefähigkeit weichen von denjenigen des FamG FBiH ab. Art. 32 schreibt (genauso wie das frühere FamG BiH) vor, dass eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit, fehlender geistiger Entwicklung oder aus anderen Gründen nicht zur Beurteilung fähig ist, eine Ehe nicht schließen kann.
cc) Ehehindernisse
Rz. 116
Die Lösung hinsichtlich der Verwandtschaft als Ehehindernis entspricht fast derjenigen des FamG FBiH. Ein Unterschied besteht jedoch hinsichtlich der Blutsverwandten, die eine Ehe miteinander nicht eingehen können, da das FamG RS den diesbezüglichen Personenkreis in Art. 33 und 35 ausdrücklich definiert. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die durch unvollständige Adoption begründete Verwandtschaft (entsprechend der Regelung des FamG BiH) nicht als Ehehindernis, sondern als Eheverbot normiert wird.
d) Rechtsfolgen von Verstößen
Rz. 117
Das FamG RS kennt keine Nichtehe. Soweit bei Eheschließung eine in Art. 14 normierte Voraussetzung (Geschlechtsverschiedenheit und freie Willensübereinstimmung vor dem zuständigen Organ) fehlt, ist die Ehe aufhebbar, aber wirksam. Klagebefugt ist jede Person, die ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der Ehe besitzt, sowie das Vormundschaftsorgan (Art. 15 Abs. 1 und 2).
Rz. 118
Ebenso kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn bei Eheschließung ein Ehehindernis vorlag (Art. 45). Abgesehen von in Rdn 116 angesprochenen Unterschieden, entsprechen die Ehehindernisse in der RS denjenigen in der FBiH. Das Anfechtungsverfahren entspricht demjenigen in der FBiH. Jedoch besteht ein Unterschied insoweit, als bei Ehen zwischen Blutsverwandten oder Verwandten durch Volladoption auch die Staatsanwaltschaft klagebefugt ist (Art. 49). Anders als das FamG FBiH kennt das FamG RS Eheverbote in Form von aufschiebend bedingten Eheverboten, weshalb ein Verstoß den Bestand der Ehe unberührt lässt, aber zur Aufhebung des das Eheverbot begründenden Verhältnisses führt. Die ein solches Eheverbot begründenden Umstände entsprechen den bereits im früheren FamG FBiH enthaltenen. Es handelt sich um Verwandtschaft aufgrund unvollständiger Adoption (Art. 37) und Vormundschaft (Art. 38), wobei in beiden Fällen aus rechtfertigenden Gründen im FGG-Verfahren die Eheschließung zugelassen werden kann.
2. Zuständige Behörden und Verfahren
Rz. 119
Das Verfahren zur Eheschließung ist in den Art. 16–28 geregelt und entspricht weitgehend demjenigen in der FBiH. Im Unterschied hierzu wird jedoch keine Frist, die zwischen der Bestellung des Aufgebots und der Eheschließung liegen muss, normiert. Ebenso fehlt eine ausdrückliche Regelung über den Zeitpunkt, zu dem eine Ehe als geschlossen gilt. Anders als in der FBiH gilt eine Vollmacht zum Abschluss der Ehe (zur Ferntrauung siehe bereits Rdn 17), die bei Gericht oder durch einen Notar beglaubigt sein muss (Art. 23 Abs. 4 FamG RS n.F.), 90 Tage ab dem Tag der Beglaubigung. Bei der Eheschließung muss der Standesbeamte auf die Möglichkeit einer ehevertraglichen Regelung der Vermögensverhältnisse in der Ehe hinweisen (Art. 20 Abs. 2 FamG RS n.F.).