Prof. Dr. Meliha Povlakic, Dr. Darja Softic Kadenic
1. Allgemeines
Rz. 51
Das bosnisch-herzegowinische Erbrecht wird in der Praxis hauptsächlich durch die Anwendung der gesetzlichen Erbfolgeregelung geprägt. Das Testament und andere Mittel gewillkürter Erbfolge bzw. der Nachlassplanung im weiteren Sinne spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die vor kurzem erst abgeschlossene Erbrechtsreform in den einzelnen Länderteilen hat in diesem Bereich insbesondere in der Republika Srpska nur wenige, nicht gravierende Änderungen gebracht. Etwas mehr ist auf diesem Feld in der Föderation BuH und im Distrikt Brčko passiert, wobei sich die neuen Lösungen wegen der relativ kurzen Anwendungszeit dieser neuen Gesetze bislang noch nicht in der Praxis bewähren konnten.
2. Testamentarische Erbfolge
a) Allgemeines
Rz. 52
Das Testament ist ein einseitiges, streng formelles, stets widerrufliches und höchstpersönliches Rechtsgeschäft, bei dem keine Vertretung möglich ist. Die Testierfähigkeit tritt mit dem vollendeten 15. Lebensjahr (Art. 62 Abs. 1 ErbG FBuH, Art. 64 Abs. 1 ErbG RS, Art. 66 Abs. 1 ErbG BD BuH) ein, immer jeweils unter Voraussetzung des Urteilsvermögens.
Rz. 53
Mit dem Inkrafttreten der neuen ErbG FBuH und ErbG BD BuH hat das Testament im Erbrecht dieser Teile Bosnien und Herzegowinas seine Vorrangstellung als stärkster Berufungsgrund an den neu eingeführten Erbvertrag (siehe Rdn 75–79), der dem Testament als Berufungsgrund vorgeht, abgeben müssen. In der Republika Srpska ist das Testament weiterhin der stärkste Berufungsgrund vor dem Gesetz.
b) Testamentsformen
Rz. 54
Bezüglich der Form unterscheidet das bosnisch-herzegowinische Recht zwischen ordentlichen und außerordentlichen Testamenten sowie zwischen privaten und öffentlichen Testamenten.
Rz. 55
Das eigenhändige Testament (holographe Testament) ist nur unter der Voraussetzung, dass es vollständig durch eigene Hand des Erblassers geschrieben und unterschrieben worden ist, gültig. In der Republika Srpska ist neben der eigenhändigen Unterschrift auch die Angabe des Datums der Testamentserrichtung Gültigkeitsvoraussetzung, während dies in der Föderation BuH und im BD BuH nicht der Fall ist und die Angabe des Datums nur als wünschenswert erachtet wird, Art. 66 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 68 Abs. 2 ErbG RS, Art. 70 ErbG BD BuH. Dieses Testament muss nicht mit vollem Namen unterschrieben werden, es genügt auch ein bekanntes Pseudonym oder eine unmissverständliche Bezeichnung des Erblassers (z.B. "Euer Vater"). Die Gültigkeit des Testaments hängt nicht davon ab, an welcher Unterlage und mit welchem Mittel das Testament geschrieben wurde (z.B. mit einer Kreide auf der Wand), solange andere Voraussetzungen erfüllt worden sind.
Rz. 56
Eine weitere Form des ordentlichen privaten Testaments ist das fremdhändige Testament unter Zuziehung zweier Zeugen (allographe Testament), bei dem ein Dritter (z.B. ein Anwalt) den Willen des Testators niederschreibt. Der Text kann in diesem Fall auch auf einem PC bzw. einer Schreibmaschine geschrieben werden. Für die Gültigkeit dieses Testaments ist es jedoch erforderlich, dass zwei geschäftsfähige Zeugen erklären, dass der Testator in ihrer Gegenwart das Schreiben unterschrieben und als sein Testament anerkannt hat, ohne dabei den Inhalt des Testaments kennen zu müssen, Art. 67 ErbG FBuH, Art. 69 ErbG RS, Art. 71 ErbG BD BuH.
Rz. 57
Als sog. öffentliche Testamente werden Testamente bezeichnet, die durch einen Richter oder einen Notar beurkundet worden sind. Das notarielle Testament als öffentliche Testamentsform besteht erst seit dem Inkrafttreten der jeweiligen neuen Erbgesetze. Bis dahin konnte der Notar nur im Rahmen der Erstellung eines allographen Testaments als einer privaten Testamentsform mitwirken. Die ErbG FBuH und ErbG BD BuH sehen für das notarielle Testament die Form der notariellen Beurkundung vor, Art. 70 ErbG FBuH, Art. 74 ErbG BD BuH. Nach der Änderung des Gesetzes im Jahre 2016 schreibt das ErbG RS...