Prof. em. Dr. Suzana Bubic, Dr. Stefan Pürner
1. Vermögensrechtliche Folgen
Rz. 77
In vermögensrechtlicher Hinsicht führt die Ehescheidung zur Aufteilung desjenigen Vermögens, das zum sog. ehelich Erworbenen zählt, wobei diese Aufteilung nach der Intention des Gesetzgebers von den Ehegatten primär durch Vertrag vorgenommen werden sollte (Art. 255 Abs. 1). Können sich die Ehegatten über diese Aufteilung nicht einigen, so kann das Gericht die Aufteilung in eigenem Ermessen entweder auf Antrag eines Ehegatten oder des Gläubigers eines Ehegatten (Art. 255 Abs. 2) vornehmen. Ist die tatsächliche Aufteilung gewisser Vermögensgegenstände unmöglich oder nur unter Inkaufnahme eines bedeutenden Wertverlustes möglich, kann das Gericht den Verkauf anordnen, um den so erzielten Erlös leichter verteilen zu können. In diesem Fall haben die Ehegatten ein Vorkaufsrecht (Art. 257). Ehegatten, denen die Ausübung der elterlichen Sorge übertragen ist, haben außer ihrem Anteil an dem sog. ehelich Erworbenen auch Anspruch auf Zuteilung derjenigen Vermögensgegenstände, die unmittelbar für den Gebrauch des oder der Kinder erforderlich sind (Art. 256 Abs. 1).
Rz. 78
Soweit die Ehegatten vertraglich nichts anderes vereinbart haben, haben sie am sog. ehelich Erworbenen gleiche Anteile (Art. 252 Abs. 1). Deshalb wird dieses Vermögen bei der Scheidung hälftig aufgeteilt.
2. Scheidungsunterhalt
Rz. 79
Zu den Unterhaltstatbeständen, zur Unterhaltshöhe und zum Erlöschen des Scheidungsunterhalts siehe Rdn 36 ff.
3. Verteilung der elterlichen Sorge
Rz. 80
Im Scheidungsurteil entscheidet das Gericht auch darüber, bei welchem Elternteil ein minderjähriges oder nach Volljährigkeit noch dem Sorgerecht unterliegendes Kind leben wird, sowie über das Umgangsrecht mit dem anderen Elternteil und über das Sorgerecht dieses anderen Elternteils (Art. 304). Das Sorgerecht wird von dem Elternteil, bei dem das Kind lebt, wahrgenommen (Art. 142 Abs. 1). Indessen hat das FamG FBiH eine bedeutende Veränderung in der Regelung über die Ausübung des Sorgerechts im Verhältnis zu den früheren Regelungen des FamG BiH eingeführt: Früher war es nur möglich, das Sorgerecht einem Elternteil zuzusprechen, während nun ein gemeinsames Sorgerecht (das vom Gesetz allerdings nicht ausdrücklich als solches bezeichnet wird) möglich ist. Durch diese Lösung wird es – außer wenn dies gegen die Interessen des Kindes verstößt – dem Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, ermöglicht, intensiver und unmittelbarer an der Sorge für das Kind teilzuhaben. Das Gericht kann auch festlegen, dass dieser andere Elternteil einzelne Verpflichtungen aufgrund des Sorgerechts selbstständig übernimmt und beispielsweise für die Gesundheit und die Schulausbildung des Kindes Sorge trägt, es vertritt oder an wichtigen Entscheidungen der Kindeserziehung teilnimmt oder auch das Vermögen des Kindes verwaltet (Art. 142 Abs. 3). Durch diese Möglichkeit wird sowohl dem Kindeswohl als auch dem Recht der Eltern auf Führung eines gemeinsamen Familienlebens mit dem Kind Rechnung getragen. Diesem Ziel dient auch die Neuregelung des Art. 142 Abs. 4, der beiden Elternteilen das Recht einräumt, vom anderen Elternteil über wichtige Angelegenheiten bezüglich des Kindes informiert zu werden. Dasselbe gilt für die Verpflichtung eines Elternteils, der bestimmte Aufgaben aus dem Pflichtenkreis des Sorgerechts selbstständig wahrnimmt, den anderen vorab und rechtzeitig über Änderungen des Wohnsitzes oder des Aufenthalts, die Einfluss auf die Ausübung dieser Verpflichtungen haben, zu informieren (Art. 142 Abs. 8).
Rz. 81
Im Verfahren auf Erlass einer Sorgerechtsentscheidung werden auch das Vormundschaftsorgan und zur Schlichtung berechtigte Personen beteiligt. Gemäß Art. 305 Abs. 1 ist das Gericht verpflichtet, vor Erlass einer solchen Entscheidung eine Stellungnahme und einen Vorschlag des Vormundschaftsorgans einzuholen. Dieses ist wiederum verpflichtet, die Auffassung einer zur Schlichtung berechtigten Person zu berücksichtigen. Das Gericht kann Vereinbarungen der Eltern über solche Fragen übernehmen, soweit dies im Interesse des Kindes liegt (Art. 307).
Rz. 82
Im Sorgerechtsverfahren hat das Kind das Recht, seine eigene Vorstellung zu sämtlichen diesbezüglichen Fragen zu äußern. Diese Meinung wird dann unter Berücksichtigung des Alters und der Reife des Kindes berücksichtigt. Das Gesetz verpflichtet das zuständige Organ in allen Verfahren, in denen über das Sorgerecht und damit zusammenhängende Fragen entschieden wird, das Kind zu beraten, es mit den wichtigen Umständen des Falles vertraut zu machen und ihm die Äußerung einer eigenen Meinung zu ermöglichen (Art. 149, 271 Abs. 2). Der Schutz des Kindes wird durch Art. 271 Abs. 5 ergänzt, der u.a. die Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Pflegers in Fällen, in denen sich das Interesse des Kindes und das der Eltern widersprechen, vorsieht.
Rz. 83
Das Gericht kann im Scheidungsurteil entscheiden, wo das Kind untergebracht werden soll oder dass dritte Personen oder Einrichtungen sich um das Kind kümmern und es ausbilden sollen, soweit dies zum Schutz der Interessen des Kindes erforderlich ist (Art. 304...