Prof. Dr. Meliha Povlakic, Dr. Darja Softic Kadenic
Rz. 125
Generell wird in allen Teilen Bosnien und Herzegowinas das Nachlassverfahren von Amts wegen eingeleitet, sobald das zuständige Gericht Kenntnis über den Tod einer Person erlangt. In der Regel geschieht dies durch die Benachrichtigung des den Todesfall aufnehmenden Standesbeamten. Wenn der Verstorbene kein Vermögen hinterlassen hat oder wenn der Nachlass nur aus beweglichen Sachen besteht und keiner der Erben einen Antrag auf Durchführung des Verfahrens stellt, kann das Gericht einen Beschluss erlassen, wonach kein Nachlassverfahren durchgeführt wird, Art. 232 ErbG FBuH, Art. 121 AußstVG RS, Art. 236 ErbG BD BuH.
Rz. 126
Das zuständige Standesamt ist verpflichtet, dem zuständigen Gericht innerhalb einer fünfzehntägigen Frist eine Sterbeurkunde (sog. smrtovnica), die alle im Gesetz vorgeschriebenen Angaben enthält, zu übermitteln, Art. 216 Abs. 1 ErbG FBuH, Art. 220 Abs. 1 ErbG BD BuH, Art. 99 Abs. 1 AußstVG RS. Eine smrtovnica beinhaltet Daten über den Verstorbenen, sein Vermögen, über potenzielle Erben, über das Bestehen eines Testaments, Erbvertrages (nicht in der Republika Srpska) oder eines Leibrentenvertrages. Diese Daten bekommt das Standesamt von nahestehenden Personen des Verstorbenen mit dem Ziel, das gerichtliche Verfahren zu erleichtern.
Rz. 127
In der Praxis kommt es auch vor, dass das zuständige Gericht von interessierten Personen über den Tod einer Person benachrichtigt wird. Auch in diesem Fall sollte das Gericht von Amts wegen das Nachlassverfahren eröffnen.
Rz. 128
Erst wenn das Gericht das Verfahren eröffnet und eine Gerichtsakte erstellt hat, wird das weitere Verfahren durch einen Beschluss an einen Notar weitergeleitet, dessen Amtssitz sich auf dem Gebiet des zuständigen Gerichts befindet.
Rz. 129
Das eröffnete Nachlassverfahren sollte zügig und ohne Unterbrechungen durchgeführt werden. Eine Ausnahme besteht im Falle eines Streits zwischen den Verfahrensteilnehmern über Tatsachen, welche die Erbberechtigung einer Person, die den Nachlass bildenden Vermögenswerte, die Gültigkeit eines Testaments usw. betreffen. Wird das Verfahren von einem Notar durchgeführt, wird bei einer Streitigkeit über die angeführten Tatsachen das Verfahren an das Gericht zurückgestellt. Sofern das Gericht das Nachlassverfahren führt, weist der Richter diejenige Person, deren Anspruch ihm weniger begründet erscheint, an, ein Erkenntnisverfahren einzuleiten. Dafür räumt das Gericht eine Frist ein. Sollte innerhalb dieser Frist nicht bewiesen werden, dass eine Klage erhoben worden ist, wird das Nachlassverfahren fortgesetzt. Im umgekehrten Fall wird das Nachlassverfahren unterbrochen, bis der Rechtsstreit rechtskräftig entschieden worden ist, Art. 239–242 ErbG FBuH, Art. 243–246 ErbG BD BuH, Art. 127–130 AußstVG RS.
Rz. 130
Das Gericht kann auf Antrag der Erben, der Vermächtnisberechtigten oder der Gläubiger des Erblassers jedoch auch auf eigene Initiative noch im Vorverfahren das Inventar und die Bewertung des Vermögens des Erblassers anordnen. Es kann dies aber auch noch im Laufe des Nachlassverfahrens tun, Art. 218–222 ErbG FBuH, Art. 222–226 ErbG BD BuH, Art. 103–106 AußstVG RS. Die Anordnung kann auch dann durch das Gericht kommen, wenn die Erben oder deren Wohnsitz unbekannt sind, die Erben minderjährig oder sonst unfähig sind, über ihr eigenes Interesse Sorge zu tragen, wenn der Nachlass dem Staat (bzw. der zuständigen Gemeinde) oder einer anderen juristischen Person zu übergeben ist sowie in anderen ähnlichen Fällen nach seinem freien Ermessen.