Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung 398 70 212.8
Tenor
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 2 der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 – ABl. Nr. L 40/1 vom 11. Februar 1989 – folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 2 der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 dahin auszulegen, daß „Zeichen, die sich graphisch darstellen lassen” begrifflich lediglich solche Zeichen umfassen, die unmittelbar in ihrer sichtbaren Gestaltung wiedergegeben werden können? Oder sind darunter auch Zeichen zu verstehen, die als solche – wie beispielsweise Gerüche oder Geräusche – zwar visuell nicht wahrnehmbar sind, deren Wiedergabe aber durch Hilfsmittel mittelbar möglich ist?
2. Falls Frage 1. im Sinne einer weiten Auslegung beantwortet wird: Genügt es den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit im Sinne von Art. 2 der Richtlinie, wenn ein Geruch
- durch eine chemische Formel
- durch eine (zu veröffentlichende) Beschreibung
- mittels einer Hinterlegung oder
- durch eine Kombination vorgenannter Wiedergabesurrogate
wiedergegeben wird?
Tatbestand
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ist eine sogenannte „Riechmarke” (olfaktorische Marke) für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 zur Eintragung als sonstige Markenform angemeldet worden. Das Dienstleistungsverzeichnis ist dem Beschluß als Anlage beigefügt.
Bei der im Anmeldeformular enthaltenen Rubrik „Wiedergabe der Marke” hat der Anmelder auf eine als Anlage beigefügte Beschreibung verwiesen. Diese lautet gemäß Hauptantrag
„Markenschutz wird beansprucht für die beim DPMA hinterlegte Riechmarke der chemischen Reinsubstanz Methylcinnamat (= Zimtsäuremethylester), deren Strukturformel nachfolgend abgebildet ist. Proben dieser Riechmarke sind auch über den örtlichen Laborbedarf gemäß Gelbe Seiten der Deutsche Telekom AG oder zB über die Firma E. Merck in Darmstadt erhältlich.
C(6)H(5)-CH = CHCOOCH(3)”
Hilfsweise für den Fall, daß die Beschreibung für das Anmeldeerfordernis nach § 32 Abs. 2 und 3 MarkenG nicht ausreichend sein sollte, hat der Anmelder die Beschreibung gemäß Hauptantrag um folgenden Zusatz erweitert:
„Der Markenanmelder erklärt sein Einverständnis mit einer Akteneinsicht in die hinterlegte Riechmarke „Methylcinnamat” nach § 62 Abs. 1 MarkenG, § 48 Abs. 2 MarkenV.”
Der Anmelder hat ferner in einem Behältnis eine Riechprobe eingereicht und hierzu ausgeführt, daß der Duft üblicherweise als balsamisch-fruchtig mit einem leichten Anklang an Zimt bezeichnet werde.
Im Nachgang zur Anmeldung hat der Anmelder die bereits in der Beschreibung genannte chemische Strukturformel als graphische Wiedergabe der Marke bezeichnet.
Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß bereits Bedenken gegen die Markenfähigkeit der angemeldeten Marke gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG und ihre graphische Darstellbarkeit gemäß § 8 Abs. 1 MarkenG bestünden, denn mit der Angabe der chemischen Formel „C(6)H(5)-CH = CHCOOCH(3)” für Methylcinnamat in Verbindung mit der Beschreibung des Duftes als balsamisch-fruchtig mit leichtem Anklang an Zimt stehe weder für das Amt noch für die Mitbewerber fest, was unter Schutz gestellt sei. Letztlich könne die Frage der Markenfähigkeit und der graphischen Darstellbarkeit jedoch dahingestellt bleiben, weil der angemeldeten Marke jedenfalls das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe. Bei der Wahrnehmung der angemeldeten Riechmarke in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen denke der Verkehr im allgemeinen nicht an einen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur an einen in der angenehmen Parfümierung der Geschäftsräume bestehenden Service des Anbieters zur Steigerung des Wohlbefindens des Kunden. Gegen die betriebliche Hinweisfunktion spreche ferner, daß der Verkehr derzeit noch nicht daran gewöhnt sei, in einem Duft die Marke eines Unternehmens zu sehen.
Hiergegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und festzustellen, daß Eintragungsversagungsgründe nach §§ 3, 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht vorliegen.
Zur Begründung trägt er vor, daß eine Riechmarke generell markenfähig im Sinne des § 3 Abs. 1 MarkenG sei und ihre Wiedergabe durch eine chemische Formel in Verbindung mit der Hinterlegung eines Musters des Geruchs auch den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit gemäß § 8 Abs. 1 MarkenG genüge. Zweck dieser Bestimmung sei es, die zweidimensionale Eintragung einer Marke in das Register zu ermöglichen und die Öffentlichkeit über Art. und Schutzumfang der Marke zu informieren. Hierzu sei nicht notwendigerweise eine graphische Darstellung erforderlich. Es genüge eine Umschreib...