Verfahrensgang

AG Brandenburg (Entscheidung vom 11.01.2017; Aktenzeichen 23 a OWi 445/16)

 

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11. Januar 2017 wird aufgehoben.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldbehörde des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg vom 2. Mai 2016 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften - nach Toleranzabzug - um 58 km/h, um 33 km/h und um 30 km/h ein Bußgeld in Höhe von 340,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen sollen am 5. April 2016 zwischen 17:05 und 17:08 Uhr mit dem Pkw amtliches Kennzeichen ... auf den Bundesautobahnen ... und ... zwischen den Anschlussstellen N... und G... in Fahrtrichtung B... bei Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 120 km/h (gefahrene Geschwindigkeit 178 km/h) und auf 100 km/h (gefahrene Geschwindigkeit 133 km/h und 130 km/h) begangen worden sein.

Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel mit Verfügung vom 10. Juni 2016 Termin zur Hauptverhandlung auf den 11. August 2016 anberaumt. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 11. August 2016 den Bußgeldbescheid im Wesentlichen bestätigt und gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften "um 58 km/h sowie 33 km/h und 30 km/h" eine Geldbuße von 340,00 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Der Betroffene, der in der Hauptverhandlung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, verließ während der Urteilsbegründung den Sitzungssaal. Hierzu ist im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt: "Der Betroffene verlässt während der mündlichen Urteilsbegründung den Saal. Rechtsmittelbelehrung konnte daher nicht erteilt werden trotz Hinweis darauf" (S. 4 Hauptverhandlungsprotokoll).

Am 23. August 2016 verfügte die Bußgeldrichterin "gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 41 StPO" die förmliche Zustellung des als Anlage zum Protokolle genommene und unterschriebene Formularurteils mit Rubrum, Tenor und angewendeten Vorschriften, jedoch ohne Gründe, an die Staatsanwaltschaft Potsdam.

Die Verfügung wurde am 24. August 2016 ausgeführt; das abgekürzte Protokollurteil ist der Staatsanwaltschaft Potsdam am 26. August 2016 zugestellt worden (Bl. 48 GA). Mit Verfügung vom 29. August 2016 hat die Staatsanwaltschaft Potsdam auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet.

Die Zustellung des Urteils an den Betroffenen ist nicht verfügt worden. Eine mit einem Rechtskraftvermerk versehene Abschrift des Urteils (ohne Gründe) ist dem Betroffenen am 22. September 2016 mit einfachem Brief zugegangen.

Der Betroffene hat mit Anwaltsschriftsatz vom 28. September 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 11. August 2016 eingelegt und sogleich die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt und Akteneinsicht beantragt.

Nach Gewährung von Akteneinsicht - aber weiterhin ohne dass eine förmliche Zustellung des angefochtenen Urteils an den Betroffenen (die schriftliche Vollmachtsurkunde des Verteidigers befindet sich nicht bei den Akten) erfolgt ist - hat der Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 13. Dezember 2016 seine Rechtsbeschwerde begründet.

Die Bußgeldrichterin des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel hat durch Beschluss vom 11. Januar 2017 die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil vom 11. August 2016 als unzulässig verworfen und darauf abgestellt, dass die Wochenfrist zur Einlegung des Rechtsmittels gemäß § 341 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG nicht beachtet worden sei.

Nach der am 26. Januar 2017 erfolgten (fehlerhaften) Zustellung des Beschlusses an den Verteidiger des Betroffenen, hat der Betroffene mit dem bei Gericht am 27. Januar 2017 angebrachten Anwaltsschriftsatz Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 346 Abs. 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG beantragt und die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 15. Februar 2015 die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11. Januar 2017 sowie die Rückreichung der Akte an das Amtsgericht zur richterlich anzuordnenden Zustellung des Urteils an den Betroffenen beantragt.

II.

1. Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11. Januar 2017 ist gemäß...

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