Leitsatz (amtlich)

Beruft sich der auf Kindesunterhalt in Anspruch genommene Unterhaltsschuldner auf verminderte Leistungsfähigkeit wegen bestehender Kreditverbindlichkeiten, muss er zumindest Zeitpunkt, Grund und Höhe der Kreditaufnahme darlegen, damit abgewogen werden kann, ob der Schuldendienst dem minderjährigen Unterhaltsgläubiger entgegengehalten werden darf. Angaben, die die Partei im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, reichen hierzu nicht aus, da sie nicht in das Hauptverfahren eingeführt worden sind.

 

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 17.2.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Gegenvorstellung des Klägers ist zulässig (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 61. Aufl., Grundz § 567 Rz. 6; Lipp in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband (2002), Vor § 567 Rz. 9 ff.; s.a. BGH FamRZ 2003, 92), jedoch nicht begründet. Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags des Klägers kann eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse gem. § 323 Abs. 1 ZPO seit Erstellung der Jugendamtsurkunde vom 19.12.1995 nicht bejaht werden. Der Kläger kann sich insb. nicht auf Leistungsunfähigkeit berufen. Er muss sich vielmehr fiktives Arbeitseinkommen von 2.000 DM, das sind 1.023 Euro, zurechnen lassen.

Wie bereits im Senatsbeschluss vom 17.2.2003 ausgeführt, ist der Unterhaltsschuldner gehalten, alles zu tun, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Hiervon darf er auch nicht im Hinblick auf eine schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt absehen. Denn nur im Falle konkreter Bemühungen lässt sichggf. feststellen, dass gerade der Unterhaltsschuldner keine Stelle finden konnte (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 623). Bei den Bemühungen um einen Arbeitsplatz darf sich der Unterhaltsschuldner auch nicht auf die Vermittlung durch das Arbeitsamt beschränken (s. a. BGH v. 27.11.1985 – IVb ZR 79/84, MDR 1986, 388 = FamRZ 1986, 244 ff. [246]; v. 2.7.1986 – IVb ZR 37/85, FamRZ 1986, 1085 ff. [1086]). Denn erfahrungsgemäß werden nicht alle Arbeitsstellen über das Arbeitsamt vermittelt. Das Arbeitsamt hat zwar das staatliche Monopol für die Arbeitsvermittlung. Gleichwohl suchen viele Arbeitgeber ohne Einschaltung des Arbeitsamtes Arbeitskräfte über Stellenanzeigen in Tageszeitungen und Anzeigenblätter. Deshalb gehört zu den zumutbaren Arbeitsbemühungen auch, dass Stellenangebote in Zeitungen und Anzeigenblätter, die am Wohnort und in der Region erscheinen, auf entsprechende Anzeigen sorgfältig überprüft werden (vgl. Wendl/Haußleiter, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 1 Rz. 427). Bei der Suche eines Arbeitsplatzes darf sich der Unterhaltsschuldner nicht auf sein unmittelbares Wohnumfeld beschränken. Denn ein täglicher Zeitaufwand von rund zweieinhalb Stunden für die Fahrt zur Arbeit ist nicht unzumutbar (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 1010). Entsprechende Bemühungen hat der Kläger nicht dargelegt.

An den Umfang der erforderlichen Bewerbungen sind auch nicht deshalb geringere Anforderungen zu stellen, weil der Kläger an einer Fortbildung teilnehmen wollte. Denn, wie bereits im Senatsbeschluss vom 17.2.2003 ausgeführt, durfte der Kläger von den Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht im Hinblick auf die Fortbildung absehen. Auch die Unterstützung der Fortbildung durch das Arbeitsamt entbindet den Kläger nicht davon, sich intensiv um eine Arbeitsstelle zu bemühen (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 626).

Bei dem fiktiven Arbeitseinkommen handelt es sich um die erzielbaren Nettoeinkünfte. Davon sind nicht, wie der Kläger meint, Belastungen abzuziehen, die auf Grund von Darlehensverbindlichkeiten, die er nur in seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben hat, beständen. Denn solche Belastungen sind im Hauptverfahren geltend zu machen. Dabei sind zumindest Zeitpunkt, Grund und Höhe der Kreditaufnahme darzulegen, damit abgewogen werden kann, ob der Schuldendienst dem minderjährigen Unterhaltsgläubiger entgegengehalten werden darf (vgl. dazu im Einzelnen Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 995 ff.; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rz. 158). Da der Kläger weder Belastungen dargelegt, noch deren Grund angegeben hat, kommt ihre Berücksichtigung nicht in Betracht.

Dem Einkommen des Klägers ist auch ein Wohnvorteil von jedenfalls 284 DM hinzuzurechnen, dessen tatsächlicher Umfang wegen des weiterhin fehlenden Vortrags des Klägers zu Lage, Größe und Ausstattung der von ihm bewohnten Wohnung derzeit nicht abschließend beurteilt werden kann. Davon können zwar grundsätzlich die Kosten notwendiger Instandhaltung, die zur ordnungsgemäßen Bewohnbarkeit des Hauses und damit zum Erhalt des Gebrauchswertes erforderlich waren, abgesetzt werden (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?