Leitsatz (amtlich)

Zur Unterhaltspflicht bei Geschwistertrennung.

 

Normenkette

BGB § 1603

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 10.08.2015; Aktenzeichen 2.1 F 142/15)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurück verwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragsgegnerin kann Verfahrenskostenhilfe aus den vom AG angeführten Gründen nicht (vollständig) versagt werden.

1. Entgegen der Auffassung des AG bietet die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Rechtsverteidigung zumindest teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Allerdings ist das AG zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dem steht die Betreuung der beiden bei ihr lebenden ehelichen Kinder J., geboren am... 2.2003, und Ja..., geboren am... 5.2008, nicht entgegen. Die Antragsgegnerin ist insoweit vom AG zutreffend auf Möglichkeiten der Fremdunterbringung während der Ausübung der Erwerbstätigkeit hingewiesen worden. Bei Geschwistertrennung, wie sie hier vorliegt, weil das weitere eheliche Kind, der am... 8.2004 geborene Antragsteller, beim Vater lebt, erfüllt jeder Elternteil nur gegenüber dem bei ihm befindlichen Kind seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Dem anderen Kind ist er grundsätzlich zum Barunterhalt verpflichtet, was insbesondere beinhaltet, grundsätzlich das Existenzminimum des vom anderen Elternteil betreuten Kindes sicherzustellen, wenn er dazu nach seinen beruflichen Fähigkeiten ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts in der Lage ist (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2 Rn. 440, 446).

b) Ebenfalls zutreffend hat das AG im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass dann wenn der Unterhaltspflichtige nicht nachgewiesen hat, seiner Erwerbsobliegenheit vollständig gerecht worden zu sein, er sich so behandeln lassen muss, als ob er über ein solch hohes Einkommen verfügt, wie er es bei gehörigen Erwerbsbemühungen realisieren könnte. Zu Recht rügt die Antragsgegnerin aber mit der Beschwerde, dass das AG ihr ein solches konkretes fiktives Einkommen nicht zugerechnet hat. Vielmehr hat sich das AG am Ende der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt auszuführen, dass die Antragsgegnerin sich unter Berücksichtigung des aufgrund der bestehenden Lebensgemeinschaft zu reduzierenden Selbstbehalts als leistungsfähig behandeln lassen müsse, den Mindestunterhalt des Antragstellers zu befriedigen. Diese Feststellung reicht - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht aus.

Allerdings hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 15.7.2015 vorgetragen, die Antragsgegnerin müsse sich im Hinblick auf ihre Ausbildung als Einzelhandelskauffrau und ihre frühere Tätigkeit als Filialleiterin ein bereinigtes Einkommen von 1.674,36 EUR zurechnen lassen. Dies allein rechtfertigt die Annahme uneingeschränkter Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin aber nicht.

Die Antragsgegnerin hat in der Beschwerdeschrift vom 24.8.2015 ihre Erwerbsbiografie im Einzelnen dargelegt. Der Antragsteller hat diese Darlegungen zwar mit Schriftsatz vom 10.9.2015 vorsorglich mit Nichtwissen bestritten. Darauf hätte er sich aber nicht pauschal zurückziehen dürfen. Denn angesichts der früher bestehenden Ehe, aus der in den Jahren 2003, 2004 und 2008 Kinder hervorgegangen sind, muss dem gesetzlichen Vertreter des Antragstellers die Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin zumindest in weiten Teilen bekannt sein. Vor diesem Hintergrund hätte sich auch das AG in seiner Nichtabhilfeentscheidung mit der Erwerbsbiografie auseinandersetzen müssen.

Die Antragsgegnerin hat letztlich unwidersprochen vorgetragen, lediglich in der Zeit von April 2001 bis Juli 2002 für eineinhalb Jahre als Filialleiterin tätig gewesen zu sein. Erst danach ist das erste Kind geboren worden. Dann war sie noch für knapp ein Jahr bei einem Discounter als Aushilfe beschäftigt. Nach der Geburt des zweiten Kindes war sie von April 2004 bis September 2005 als Saisonarbeiterin bei einem Drogeriemarkt tätig, dort auch ohne Ausbildung interimsweise als Filialleiterin. Nach der Geburt des inzwischen verstorbenen Sohnes Ju... im Jahr 2006 hat sie bis zur Geburt der Tochter Ja... im Jahr 2008 nicht gearbeitet und ab 2009 "wegen der mit der Betreuung der drei Kinder nicht vertretbaren Arbeitszeiten im Einzelhandel" eine Beschäftigung als ungelernte Arbeitskraft im Büro aufgenommen. Seit 1.8.2013 ist sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber beschäftigt, zunächst im Umfang von 25 Stunden wöchentlich, seit 1.8.2015 im Umfang von 30 Stunden wöchentlich.

Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens kann jedenfalls bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Z...

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