Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 2 Abs. 2 und 3 VAÜG genannten Wiederaufnahmegründe sind abschließender Natur, eine Wiederaufnahme aufgrund Parteivereinbarung scheidet aus.

2. Zur Wirksamkeit einer Vereinbarung, die nichtangleichungsdynamischen Anrechte wie angleichungsdynamische zu behandeln.

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 18.01.2008; Aktenzeichen 22 F 39/07)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 18.1.2008 - Az.: 22 F 39/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich bleibt ausgesetzt.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 621e Abs. 1; 3; 517 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist begründet. Mit Recht hat sie sich darauf berufen, das AG habe den Versorgungsausgleich nicht durchführen dürfen.

1. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des AG Bad Liebenwerda vom 18.8.1994 rechtskräftig geschieden worden, nachdem die Folgesache Versorgungsausgleich mit Beschluss vom selben Tag zuvor abgetrennt worden war. Durch Beschluss vom 28.5.1996 hat das AG das Verfahren über die Folgesache Versorgungsausgleich bis zur Einkommensangleichung ausgesetzt (§ 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG).

Unter dem 24.1.2007 hat die Beteiligte zu 1. mitgeteilt, dass der Antragsgegner eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht. Nach dieser Auskunft hat der Antragsgegner während der Ehezeit i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB - dies ist die Zeit vom 1.8.1976 bis zum 28.2.1993 - in der gesetzlichen Rentenversicherung nichtangleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. 367,08 EUR monatlich erworben.

Nach der Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 21.8.2007 hat die Antragstellerin während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung angleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. 206,16 EUR monatlich sowie nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von 7,98 EUR monatlich erworben.

Auf Vorschlag des AG haben die Parteien im Termin vom 9.1.2008 vor dem AG (von diesem abschließend familiengerichtlich genehmigt) vereinbart, dass "die dynamische Anwartschaft als angleichungsdynamische Anwartschaft gewertet werden soll, damit der Ausgleich zum Versorgungsausgleich auf der Basis der angleichungsdynamischen Anwartschaften durchgeführt werden kann."

Sodann hat das AG die angefochtene Entscheidung erlassen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

2. Bei dieser Sachlage ist der Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Das Verfahren bleibt vielmehr ausgesetzt.

a) Es sind nicht nur angleichungsdynamische Anwartschaften zu berücksichtigen; der Antragsgegner verfügt zwar über die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften, nicht aber über die werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VAÜG liegen somit nicht vor. In einem derartigen Fall ist der Versorgungsausgleich nur durchzuführen, sofern aus einem zu berücksichtigenden Anrecht aufgrund des Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG (Leistungsfall). Ein Leistungsfall liegt hier jedoch nicht vor.

Dabei kann die Frage offen bleiben, ob die von dem Antragsgegner bezogene Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als Leistung i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG anzusehen ist, obgleich aufgrund der bisherigen Auskünfte nicht feststellbar ist, ob die Rente wieder entzogen werden kann. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Auswirkung des Versorgungsausgleichs auf die erworbenen Anrechte. Bezieht der Ausgleichsverpflichtete (hier: der Antragsgegner, weil er die insgesamt höheren Anrechte besitzt) eine Leistung der Altersversorgung oder eine Rente wegen Erwerbsminderung und ist diese aufgrund des Rentnerprivilegs, § 101 Abs. 3 SGB VI, (noch) nicht zu kürzen - wie hier - so liegt keine tatsächliche Auswirkung vor.

Der Versorgungsausgleich ist deshalb grundsätzlich auszusetzen, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG (OLG Naumburg, Beschl. v. 19.11.2007 - 8 UF 198/07; zitiert nach juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.11.2006 - 9 UF 171/06; zitiert nach juris) und nach Wiederaufnahme erst dann durchzuführen, wenn auch der Berechtigte eine Rente bezieht (OLG Naumburg, FamRZ 2003, 40; OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2007 - 10 UF 85/06; OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 1362; Rotax/Vogel, Praxis des Familienrechts, 3. A., Teil 10 Rz. 1191 ff.) oder die Einkommensangleichung erfolgt ist.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung vom 9.1.2008.

Dies gilt schon deshalb, weil die in § 2 Abs. 2 und 3 VAÜG genannten Wiederaufnahmegründe abschließender Natur sind und eine Wiederaufnahme aufgrund Parteivereinbarung ausscheidet ...

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