Leitsatz (amtlich)

Für das Überprüfungsverfahren (§ 120 IV a.F. ZPO) besteht ein Formularzwang nicht. Es reicht aus, wenn der Beteiligte seine jetzt, zur Zeit des Überprüfungsverfahrens, bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollständig und substantiiert darlegt oder auf eine andere Art und Weise deutlich und verbindlich erklärt, ob im Vergleich zur Zeit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (§ 120 IV 2 a.F. ZPO).

Auch im Änderungsverfahren muss die Glaubhaftmachung der nach § 120 IV 2 a.F. ZPO abgegebenen Erklärung verlangt werden können, wenn dafür ein sachlicher Grund spricht, damit auch in diesem Verfahren, ebenso wie vor der erstmaligen Bewilligung, eine vollständige und wirksame Prüfung möglich ist.

Die schwerwiegenden Folgen einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe müssen sich dadurch rechtfertigen lassen, dass ihnen eine gewichtige Nachlässigkeit des begünstigten Beteiligten gegenübersteht, der an der Überprüfung einer Verbesserung seiner Verhältnisse mitzuwirken hat.

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Beschluss vom 19.10.2015; Aktenzeichen 55 F 296/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Neuruppin vom 19.10.2015 aufgehoben.

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

Es ist nicht gerechtfertigt, die dem Antragsgegner bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufzuheben (§§ 76 I FamFG, 40 EGZPO, 124 Nr. 2 HS. 2 a.F. ZPO).

1. Dabei kann dahinstehen, ob das Aufhebungsermessen eröffnet ist, weil der Antragsgegner mit der Beschwerde nur die Kopie eines von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Formulars über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und den Mietvertrag nicht vorgelegt hat (Bl. 28 ff., 36, 36R, 37 VKH). Es ist äußerst zweifelhaft, ob damit der Tatbestand erfüllt ist, der Beteiligte habe die ihm abverlangte Erklärung nicht abgegeben (§§ 76 I FamFG, 40 EGZPO, 124 Nr. 2 HS. 2 a.F. ZPO), also seine Mitwirkungsobliegenheit gar nicht oder ganz und gar unzureichend erfüllt.

a) Für das Überprüfungsverfahren (§§ 76 I FamFG, 40 EGZPO, 120 IV a.F. ZPO) besteht ein Formularzwang nicht. Zu Recht hat das AG mit dem dafür eingeführten Formularschreiben ZP 50 (Bl. 19 VKH) seinen Hinweis darauf beschränkt, das "Formular... kann genutzt werden", und dem Antragsgegner nicht etwa eine Pflicht zum Einreichen des Formulars entgegengehalten. Es reicht aus, wenn der Beteiligte seine jetzt, zur Zeit des Überprüfungsverfahrens, bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollständig und substantiiert darlegt oder auf eine andere Art und Weise deutlich und verbindlich erklärt, ob im Vergleich zur Zeit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (§§ 76 I FamFG, 40 EGZPO, 120 IV 2 a.F. ZPO). Diese Erklärung muss der Beteiligte nicht persönlich abgeben. Er kann sich im Überprüfungsverfahren durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen. Es spricht mithin viel dafür, dass der Antragsgegner durch die von seinem Verfahrensbevollmächtigten eingereichte Beschwerdeschrift und die damit vorgelegte Formularkopie (Bl. 27 ff. VKH) seiner Erklärungspflicht genügt hat.

b) Auch die Pflicht, Belege vorzulegen, ist ausdrücklich nur für das Antrags-, nicht für das Änderungsverfahren vorgesehen (§§ 117 II 1, 118 II 1 ZPO). Dennoch muss auch im Änderungsverfahren die Glaubhaftmachung der nach § 120 IV 2 a.F. ZPO abgegebenen Erklärung verlangt werden können, wenn dafür ein sachlicher Grund spricht, damit auch in diesem Verfahren, ebenso wie vor der erstmaligen Bewilligung, eine vollständige und wirksame Prüfung möglich ist. § 124 Nr. 2 Var. 2 a.F. ZPO entspricht zu diesem Zwecke dem § 118 II 4 ZPO: die Bewilligung ist abzulehnen, und sie kann aufgehoben werden, wenn sich der Beteiligte der Mitwirkung an den erforderlichen Überprüfungen verweigert.

Da der Antragsgegner im Überprüfungsverfahren dieselbe Adresse angegeben hat wie vor der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (Bl. 1, 28 VKH), ist ein sachlicher Grund äußerst zweifelhaft, ihm abzuverlangen (Bl. 36 VKH), den Mietvertrag erneut (vgl. Bl. 7 f. VKH) vorzulegen. Allenfalls bedurfte es eines Belegs, um die mit den Erklärungsformularen dargelegte Mieterhöhung von 253,06 Euro auf 255,47 Euro nachzuweisen. Dazu hätte aber ein darauf gerichtetes Schreiben des Vermieters oder ein Zahlungsbeleg ausgereicht.

2. Jedenfalls kann aber das Aufhebungsermessen - das der angefochtene Beschluss und die Nichtabhilfeentscheidung völlig unbeachtet lassen - nicht zu Lasten des Antragsgegners ausgeübt werden. Die schwerwiegenden Folgen einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1999, 1408) müssen sich dadurch rechtfertigen lassen, dass ihnen eine gewichtige Nachlässigkeit des begünstigten Beteiligten gegenübersteht, der an der Überprüfung einer Verbesserung seiner Verhältnisse mitzuwirken hat (§§ 76 I FamFG, 40 EGZPO, 120 IV 2 a.F. ZPO).

Dieses Gewicht erreichen die Versäumnisse nicht, die dem Antragsgegner vorgehalten werden kö...

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