Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Vollstreckung einer Unterlassungsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls dann, wenn der Schuldner das ihm Abverlangte, das als Unterlassungspflicht oder Handlungsverbot tituliert ist, nur durch tätiges Handeln erfüllen kann, wenn also bloßes Nichttun nicht ausreicht, um die titulierte Pflicht zu erfüllen, steht der Beugecharakter so gewichtig neben dem Strafzweck, dass es der Auflehnung gegen eine Vollstreckung bedarf, um eine erneute Vollstreckung rechtfertigen zu können.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 31 O 15/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. April 2023 abgeändert:
Der Antrag der Gläubigerin (Antragsschrift vom 1. März 2023) wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Gläubigerin.
Gründe
I. Dem Schuldner ist durch ein ihm zugestelltes ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden, in einem von ihm betriebenen Internetauftritt Design und Texte der Gläubigerin zu verwenden, Besucher der Internetseite der Gläubigerin auf eine bestimmte andere Seite umzuleiten und Kommunikationsadressen der Gläubigerin für von ihm betriebene Unternehmen zu verwenden. Die Verbote betrafen Internetseiten, die der Schuldner zur Zeit der Verurteilung bereits betrieb, so dass sie für Benutzer des Internets abrufbar waren.
Die Gläubigerin legte die vollstreckbare Ausfertigung des Titels vor und beantragte die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Schuldner. Sie habe am 8. und erneut am 19. Dezember 2022 feststellen müssen, "dass die angegriffenen Internet-Seiten, mit denen der Schuldner versucht, der Gläubigerin Kunden abzuwerben und sie nachhaltig zu schädigen, weiterhin online waren" (Antragsschrift vom 21. Dezember 2022, S. 3 = Bl. 3 VH LG). Das Landgericht setzte mit dem Beschluss vom 7. Februar 2023 Ordnungsmittel fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin und die Anschlussbeschwerde des Schuldners sind beim Senat anhängig (7 W 33/23). Die angefochtene Ordnungsmittelfestsetzung ist nicht vollstreckt und nicht zur Abwendung der Vollstreckung erfüllt worden.
Mit der Antragsschrift vom 1. März 2023 hat die Gläubigerin die Festsetzung weiterer Ordnungsmittel beantragt. Sie habe feststellen müssen, "dass der Schuldner sich nach wie vor nicht an den Unterlassungstitel hält und sich auch von den festgesetzten Ordnungsmitteln unbeeindruckt zeigt". Er biete "die streitgegenständlichen Webseiten noch unverändert so im Internet an wie zum Zeitpunkt des Ordnungsmittelantrags" (a.a.O., S. 3 = Bl. 40 VH LG).
Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 75 ff. VH LG) hat das Landgericht erneut Ordnungsmittel festgesetzt, weil der Schuldner der gegen ihn gerichteten Unterlassungsverpflichtung auch nach Erlass des ersten Ordnungsmittelbeschlusses zuwidergehandelt habe.
II. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners ist begründet. Der zweite Ordnungsmittelantrag ist unzulässig.
Da das Ordnungsmittel zur Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung neben dem Bestrafungszweck auch als Beugemittel dient, nämlich künftige Zuwiderhandlungen verhindern soll (MüKo-ZPO-Gruber, 6. Aufl. 2020, § 890 Rdnr. 2), gilt auch hier, was für die Erzwingung von Handlungen anerkannt ist: Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Festsetzung ist nur dann gegeben, wenn das zuvor angeordnete Ordnungsgeld entweder gezahlt oder vollstreckt ist (vgl. zu § 888 ZPO: BGH, NJW 2019, 231, Rdnr. 17). Ob dies allgemein für alle Unterlassungsvollstreckungen gelten kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Viel spricht dafür, in Fallkonstellationen, in denen der Schuldner das Verhalten, das er zu unterlassen hat, durch die Betätigung stets neuer, weiterer Entschlüsse erneut und wiederholt ins Werk setzt, erneute Ordnungsmittelanträge vor allem unter dem Gesichtspunkt der Handlungseinheit (vormals: des Fortsetzungszusammenhangs) zu beurteilen. Was die Gläubigerin hierzu im Allgemeinen zutreffend ausgeführt hat (Schriftsatz vom 30. Mai 2023, Bl. 6 ff.), betrifft indes nicht das Besondere der hier zu beurteilenden und ähnlicher Fallgestaltungen:
Jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Schuldner das ihm Abverlangte, das als Unterlassungspflicht oder Handlungsverbot tituliert ist, nur durch tätiges Handeln erfüllen kann, wenn also bloßes Nichttun nicht ausreicht, um die titulierte Pflicht zu erfüllen, steht der Beugecharakter so gewichtig neben dem Strafzweck, dass es der Auflehnung gegen eine Vollstreckung bedarf, um eine erneute Vollstreckung rechtfertigen zu können. Eine ergänzende oder sogar gleichgewichtige Handlungspflicht folgt aus einer titulierten Unterlassungspflicht, wenn der Schuldner sich bereits vor der Verurteilung so verhalten hat, wie es ihm mit dem Titel verboten wird, und er dadurch einen andauernden Zustand geschaffen hat, den zu beenden er verpflichtet ist. Die Handlungspflicht richtet sich dann kraft des Unterlassungstite...